Nightside 9 - Wieder einmal Weltenbrand
gut überlegen würde, sollte sie jemals aus der Nähe zu Gesicht bekommen, was sie da genau anbeten. Wie auch immer, man weiß, dass der blutrote Gott immer wieder humanoide Gestalten aussendet, die völlig aus Blut bestehen, um für ihn die alltäglichen Angelegenheiten zu regeln. Manche der abenteuerlustigeren Vampire machen sich einen Spaß daraus, sich an diese Kreaturen von hinten mit einem Strohhalm anzuschleichen.“
„Zeigen Sie mir bitte irgendetwas anderes“, sagte Chandra. „Ehe ich jede Mahlzeit, die ich in den letzten drei Monaten zu mir genommen habe, in hohem Bogen auskotze.“
„Gut“, sagte ich. „Wenn sie etwas … Spirituelleres sehen wollen … haben wir dort drüben die Halle der Entropie. Ein ziemlich verdrießlicher Ort für eine Glaubensgemeinschaft von echt miesepetrigen Scheißkerlen. Die glauben, da das ganze Universum ohnehin vor die Hunde geht und alles, was lebt, sowieso sterben muss, läge es an uns, uns zu Wesen einer höheren Ordnung weiterzuentwickeln und schnellstens hier zu verduften, um uns ein besseres Universum zu suchen. Sie bieten auch Lehrgänge an, wie man zu so einem Wesen einer höheren Ordnung werden kann. Ist natürlich alles sehr kostspielig.“
„Ah“, sagte Chandra. „Ist es eigentlich irgendjemandem dieser Leute jemals gelungen, die Transzendenz zu erlangen?“
„Witzigerweise nicht“, sagte ich traurig. „Den Leuten, die die ganzen Lehrgänge leiten, zufolge liegt es daran, dass es ihre Schüler einfach nicht intensiv genug versuchen. Es gibt schon echt gute Wetteinsätze hier in der Straße, wie lange es noch dauert, bis es den Schülern wie Schuppen von den Augen fällt und sie sich zusammenrotten, um den ganzen Ort in Stücke zu reißen. Höchstwahrscheinlich nur, um herauszufinden, dass die Initiatoren der Organisation mit dem ganzen Geld stiften gegangen sind. Auf der Suche nach einer besseren Welt natürlich.“
„Warum halten sich die Leute von dort drüben fern?“, erkundigte sich Chandra, der völlig unbefangen in eine Richtung zeigte. „Selbst die Touristen machen ihre Fotos von der anderen Straßenseite aus.“
„Ah“, sagte ich. „Das ist die Kirche des Opferns. Ihre Priester haben leider die enervierende Angewohnheit, ohne jede Vorwarnung aus der Kirche zu stürmen, um sich irgendjemanden zu schnappen, der ihnen gerade gelegen kommt oder einfach nicht schnell genug rennt, um ihn in die Kirche zu zerren und ihrem Gott zu opfern. Normalerweise singen sie dabei mit voller Lautstärke Kirchengesänge, um die Hilfeschreie und Beschwerden zu übertönen. Ihr Gott, der keinen Namen hat, auch wenn wir alle ganz gut raten können, wie er so drauf ist, saugt dann die Seelen auf und teilt die Lebenskraft mit seinen Anhängern. Niemand auf der Straße beschwert sich. Man ist der Meinung, er verleihe der Straße Farbe und Charakter. Außerdem hilft das Ganze, damit die Touristen weitergehen. Die Anhänger der Kirche tragen die ganze Zeit Masken. Wenn je ihre Identität bekannt würde, würden sie sofort gelyncht. Rein aus Prinzip.“
„Diese ganze Straße ist eine Schande!“, schimpfte Chandra mit einer lauteren Stimme, als mir angenehm war. „Keines dieser Wesen ist ein Gott! Mächtige Entitäten, ja, aber keine Gottheiten.Nichts hier ist der Anbetung würdig! Tatsächlich“, seine Stimme klang plötzlich grüblerisch, „scheint es so, als ob viele der Wesen hier durchaus als Monster einzustufen wären …“
„Mal runter vom Gas“, warf ich ein. „Wir wollen hier keine Schwierigkeiten anzetteln. Wir sind hier, um den Wanderer aufzuhalten.“
„Aber ich habe recht, oder?“, beharrte Chandra.
„Höchstwahrscheinlich ja“, gab ich zu. „Aber das ist trotzdem nichts, was man überall laut hinausposaunen muss, außer, wenn Sie darauf stehen, dass Ihre Hoden plötzlich und schmerzhaft langgezogen werden, um dann in Zeitlupe zu explodieren. Manche Götter haben äußerst altmodische Konzepte, wenn es darum geht, Ungläubige zu zerschmettern.“
„Denken Sie, das wird den Wanderer aufhalten?“, fragte Chandra.
„Nein. Aber andererseits ist sein Gott größer als alle anderen.“
„Ich bin ein Khalsa“, sagte Chandra. „Ich glaube nicht … dass dieser Wanderer zu etwas imstande ist, was mir nicht möglich wäre.“
„Sie können in der Straße der Götter glauben, worauf auch immer Sie Lust haben“, entgegnete ich. „Aber dadurch wird es nicht unbedingt wahr.“
Weiter die Straße entlang drang plötzlich der Lärm
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