Nikotin
Sturm.
»Nein«, beantwortete Mr Satterthwaite die Frage.
»Ja«, erklärte hingegen Egg.
Sir Charles blickte von einem seiner Gäste zum and e ren, worauf Satterthwaite mit einer Handbewegung a n deutete, die junge Dame möge zuerst sprechen.
Egg sah einen Moment vor sich nieder, um ihre G e danken zu sammeln.
»Ja, wir sind weitergekommen«, behauptete sie endlich. »Wir sind weitergekommen, weil wir nichts herausgefu n den haben. Das klingt blödsinnig, aber das ist es nicht. Nicht wahr, wir hatten doch einige vage umrissene Ideen? Jetzt aber wissen wir, dass etliche dieser Ideen hinfällig sind.«
»Fortschritt durch Ausmerzung«, warf Sir Charles ein.
»Richtig.«
Mr Satterthwaite räusperte sich. Er liebte es, die Dinge genau zu bestimmen, und so begann er:
»Den Gedanken an Gewinnsucht können wir endgültig verabschieden. Stephen Babbingtons Tod hat niemand Vorteile gebracht. Rache scheint ebenfalls nicht zuzutre f fen. Abgesehen von seiner natürlichen friedliebenden Veranlagung bezweifle ich, ob der verstorbene Pfarrer von Loomouth wichtig genug war, um sich Feinde zu machen. Somit sind wir bei unserer letzten, ziemlich ski z zenhaften Vorstellung angelangt: Furcht. Der Tod St e phen Babbingtons verbürgt jemandem Sicherheit…«
»Das ist ausgezeichnet dargelegt«, lobte Egg Lytton G o re.
Mr Satterthwaites Gesicht spiegelte bescheidenen Stolz wider, Cartwrights Gesicht etwas Verdruss. Ihm kam die Starrolle zu, nicht Satterthwaite!
»Also heißt es: Was tun wir als Nächstes?«, ließ sich Egg vernehmen. »Tun, wirklich tun, meine ich. Werden wir Leute bespitzeln, uns verkleiden und hinter ihnen he r schleichen?«
»Mein liebes Kind, ich habe es stets abgelehnt, alte Männer in Bärten zu spielen, und möchte das weiter so halten«, erwiderte der Schauspieler.
»Also…« begann Lady Marys unternehmungslustige Tochter.
Aber sie konnte den Satz nicht vollenden, denn die Tür öffnete sich, und das Hausmädchen meldete:
»Mr Hercule Poirot.«
Mit strahlendem Gesicht spazierte Poirot über die Schwelle. »Ist es gestattet, dass ich an dieser Konferenz teilnehme?«, fragte er, nachdem er die drei maßlos Übe r raschten begrüßt hatte. »Es stimmt doch, dass es sich um eine Konferenz handelt, n’est-ce pas?«
»Mein Lieber, wir sind entzückt, Sie zu sehen«, vers i cherte Sir Charles, indem er dem neuen Gast warm die Hand schüttelte und ihn in einen großen Lehnstuhl schob. »Woher kommen Sie so urplötzlich?«
»Ich wollte meinem guten Freund Monsieur Sa t terthwaite in London einen Besuch abstatten. Man teilte mir mit, er wäre verreist – nach Cornwall. Eh bien, es springt doch in die Augen, wohin er gefahren ist! Schnell nehme ich den ersten Zug nach Loomouth, und hier bin ich.«
»Ja. Aber weshalb sind Sie gekommen? – Ich meine«, fuhr Egg errötend fort, als sie die mögliche Unhöflichkeit ihrer Worte merkte, »führt Sie ein besonderer Grund her?«
»Ich bin gekommen, um einen Irrtum einzugestehen«, entgegnete Hercule Poirot.
Mit gewinnendem Lächeln wandte er sich an den Hausherrn und breitete in beredtem Pathos seine Hände aus.
»Monsieur, in diesem selben Raum war es, wo Sie mir Ihr Nichtbefriedigtsein eingestanden. Und ich… ich schob es auf Ihre dramatischen Instinkte. Er ist ein gr o ßer Künstler und muss um jeden Preis ein Drama haben, sagte ich mir. Es schien – ich will es zugeben – unglau b lich, dass ein harmloser alter Herr auf gewalttätige Art sein Ende gefunden haben sollte. Selbst jetzt noch ve r mag ich weder zu erkennen, wie ihm das Gift beigebracht wurde, noch sehe ich irgendeinen plausiblen Beweggrund. Absurd scheint es, fantastisch. Und dennoch – seither ereignete sich ein anderer Todesfall, unter genau den gle i chen Umständen. Unmöglich kann man das auf Koinz i denz schieben. Nein, es muss ein Glied zwischen den beiden bestehen. Deshalb, Sir Charles, bin ich geko m men, um mich zu entschuldigen, zu erklären, dass ich, Hercule Poirot, Unrecht hatte, und um Sie zu bitten, mich an Ihren Beratungen teilnehmen zu lassen.«
Cartwright fühlte sich offenbar etwas befangen.
»Das ist prächtig und lobenswert von Ihnen, Monsieur Poirot. Ich weiß jedoch nicht… Ihre kostbare Zeit zu beanspruchen… ich…«
Er brach ab, nicht ganz Herr der Lage. Seine Augen fragten Mr Satterthwaite um Rat.
»Tatsächlich, das ist zu gütig«, begann dieser.
»Non, non, durchaus nicht gütig«, fiel der kleine Belgier ein. »Es ist Neugier und gekränkter
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