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Nilowsky

Nilowsky

Titel: Nilowsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Schulz
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uff deinem Grab tanzen wird.«
    Krebs-Käthe hatte lange Brust- und später auch noch Lungenkrebs, dennoch schaffte sie es, Opa Hundertfuffzigprozentig um zwei Tage zu überleben. Analphabeten-Leo ging nicht zur Beerdigung des Stalinisten. Ob er jemals auf seinem Grab tanzte, wurde nicht bekannt.
    Carola hatte sich dermaßen in Schwung geredet, dass sie kaum mehr auf mich achtete. Ich dachte daran, das Fläschchen zu öffnen und ihr ein wenig Blut auf die Haut zu schmieren, leider waren nur die Hände und dasGesicht frei. Mit den Händen fuchtelte sie unentwegt umher, und ans Gesicht traute ich mich nicht heran.
    Inzwischen waren wir am Doppelgrab von Carla und Maria Serrini angelangt. Carola drehte sich zu mir um und rief entschieden: »Die werden ganz viel gegossen, die sollen viel Vergnügen haben beim Rumschlittern!«
    Ich goss drei Gießkannen auf das quadratische Stück harter Erde und holte neues Wasser.
    »Und nun«, sagte Carola, »gehen wir zu Karl-Heinz Nilowsky. Er war ein schlechter Mensch, doch so schlecht kann ja kein Mensch gewesen sein, dass man ihn beim Gießen einfach auslässt.«
    Ich schleppte die volle Gießkanne, die immer schwerer wurde, sodass ich mehrmals von der rechten in die linke und von der linken in die rechte Hand wechseln musste, zu der fast hundert Meter entfernten Urnenstelle von Nilowskys Vater. Noch bevor ich ein Drittel vergossen hatte, meinte Carola: »Das reicht. Wir wollen’s ja nicht gleich übertreiben.« Sie klatschte zweimal in die Hände, als würde sie einen Schlafenden wecken wollen, und sprach in Richtung Grabstein: »Stell dir vor, Karl-Heinz Nilowsky, du saublöder Suffkopp, dein Sohn, dein einziger Sohn, will mich heiraten. Aber, sag du mir, könnte oder sollte oder dürfte ich einen Mörder heiraten? Nein, das könnte oder sollte oder dürfte ich nicht. Das gehört sich nämlich nicht. Aus und basta.« Sie wandte sich an mich. »Ich meine, ich werde ihn nicht verraten bei der Polizei oder sonst wo, aber ich werde ihn niemals heiraten. Ich meine, ich würde noch nicht mal meine Bonzeneltern ermorden, und die hätten es wirklich verdient.«
    Wenn es mir schon nicht gelingt, dachte ich, das Blutzur magischen Anwendung zu bringen, sollte ich sie vielleicht in einem Punkt aufklären. Ich gab mir einen Ruck und sagte: »Er hat ihn nicht ermordet. Er wollte es tun, aber er hat es nicht geschafft.«
    »Wie?« Carolas Stimme war noch quäkender als sonst. »Wer hat denn den Alten sonst umgebracht? Er sich womöglich noch selber, oder wie?«
    »Ja«, bestätigte ich, »er sich selber. Der Alte hat so viel gesoffen, dass er tot umgefallen ist.«
    »Hab ich’s mir ja gleich gedacht«, rief Carola aus. »Er hat es nicht geschafft. Genauso wie er es nicht geschafft hat, seine arme Oma endlich verbluten zu lassen. Nicht mal das hat er geschafft.«
    Ich bereute es, ihr die Wahrheit verraten zu haben, ohne mir sicher zu sein, ob es überhaupt die Wahrheit war. Es konnte ja nach wie vor sein, dass Nilowsky seinen Vater ermordet und mir gegenüber behauptet hatte, er hätte es nicht geschafft. Eine Schutzmaßnahme, weil er mir, alles in allem, nicht genug vertraute. Wenn er nun irgendwann erfahren würde, dass ich weitererzählt hatte, was ich nicht hätte weitererzählen dürfen, wäre ich wohl – und das zu Recht – der größte Verräter aller Zeiten für ihn.
    »Wollen wir irgendwohin gehen, wo es warm ist?«, fragte ich, in der Hoffnung, dass sich Carola dort, wo es warm ist, den Mantel ausziehen würde und ich doch noch die Chance hätte, meinen Auftrag auszuführen.
    Sie überlegte kurz, dann quäkte sie: »Wo es ist warm, da hast du Charme, aber bei Frost bist du leicht verderbliche Kost.« Sie grinste und sagte: »Ach, nimm’s mir nicht krumm. Ich bin Kotz-Carola, die nicht älter wird. Mir darfst du nichts krumm nehmen. Außerdem,mit mir kann sich sowieso niemand liieren, falls du das Fremdwort kennst. Heißt so viel wie: eng verbinden, Partnerschaft eingehen. Tja, das nur nebenbei.«
    Wir gingen die Gießkanne anschließen und verließen den Friedhof. »Normalerweise«, sagte Carola, »dürfte ich auch gar nicht sterben, denn wer stirbt schon mit dreizehn? Ziemlich unwahrscheinlich. Logisch, oder? Alle, die ich kenne und die hier irgendwann liegen werden, werde ich also immer gießen. Auch dich, mein Lieber, auch dich. Meine Art, mich zu liieren. Meine einzige Art.« Sie stieß mir ihren Ellenbogen in die Rippen und lachte. »Und nun verrate mir, ob du dich nur

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