Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nimm dich in acht

Nimm dich in acht

Titel: Nimm dich in acht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
konnte immer noch kaum glauben, daß diese dick bandagierte, an Tropfe und Schläuche angeschlossene Frau ihre hübsche, lebhafte Freundin sein sollte.

    Carolyns Hände lagen auf der Bettdecke. Pam verflocht ihre Finger mit denen ihrer Freundin und merkte, daß Carolyns schlichter goldener Trauring fehlte. Sie dachte daran, daß Carolyn ungern Schmuck trug. Pam hatte sie höchstens mal mit guten Modeschmuckbroschen und Ohrringen oder mit der einreihigen Perlenkette ihrer Großmutter gesehen.
    »Carolyn«, sagte sie leise. »Ich bin’s, Pam. Ich wollte nur mal sehen, wie’s dir geht. Alle fragen nach dir. Sobald du dich besser fühlst, wirst du viel Besuch bekommen.
    Vickie, Lynn und ich planen schon deine Genesungsparty.
    Es gibt Champagner, Kaviar, Räucherlachs – was das Herz begehrt. Die ›Viererbande‹ weiß, wie man feiert.
    Richtig?«
    Pam war klar, daß sie Unsinn redete, aber man hatte ihr gesagt, es sei möglich, daß Carolyn sie hören könne. Über Justin wollte sie nicht sprechen. Wenn er der Mann war, der Carolyn vor den Transporter gestoßen hatte, und wenn sie das wußte, dann könnte es sie ängstigen, seinen Namen zu hören, geschweige denn, seine Gegenwart zu spüren.
    Aber ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll, dachte sie. Wenn sie doch nur das Bewußtsein wiedererlangen würde, nur eine Minute. »Ich muß los, Car«, sagte sie,
    »aber ich komme später wieder. Ich hab’ dich lieb.« Sie hauchte einen Kuß auf Carolyns Wange. Keine Reaktion.
    Unruhig verließ sie die Intensivstation und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab. Als sie am Wartezimmer vorbeikam, entdeckte sie dort zu ihrer Überraschung Justin. Er saß zusammengesunken auf einem Stuhl, war unrasiert und trug dieselben Kleider wie gestern nachmittag. Ihre Blicke begegneten sich, und er trat auf den Korridor hinaus. »Hat Carolyn mit dir gesprochen?« fragte er gespannt.

    »Nein. Justin, was in Gottes Namen ist los mit dir?
    Warum warst du gestern abend nicht hier?«
    Er zögerte mit der Antwort. »Weil die Polizei anscheinend denkt, daß ich Carolyn vor den Transporter gestoßen habe, wenn auch noch nicht offiziell Anklage gegen mich erhoben wird.«
    Er hielt Pamelas Blick stand. »Du bist erschrocken, nicht wahr, Pam? Erschrocken, aber nicht überrascht. Diese Möglichkeit ist dir auch schon durch den Kopf gegangen, wie?« Sein Gesicht verzog sich plötzlich, und er brach in Tränen aus. »Versteht denn kein Mensch, was ich für sie empfinde?« Dann schüttelte er den Kopf und zeigte zur Intensivstation. »Ich gehe da nicht wieder rein. Wenn Carolyn vor den Transporter gestoßen wurde und es weiß, die Person aber nicht gesehen hat, glaubt sie vielleicht auch, daß ich es war. Aber ich will euch alle nur eins fragen: Wenn sie mit diesem Kerl, diesem ›Win‹, nach dem sie ständig ruft, was hat, warum zum Teufel ist er dann jetzt nicht bei ihr?«

    59
    Chris Ryan war dreißig Jahre lang FBI-Agent gewesen, bevor er sich pensionieren ließ und eine eigene kleine Sicherheitsfirma in der East Fifty-second Street aus der Taufe hob. Er war jetzt neunundsechzig Jahre alt, hatte volles eisgraues Haar, ein wenig Übergewicht, ein freundliches Gesicht, fröhliche blaue Augen und sah wie die Idealbesetzung für den Weihnachtsmann aus, der in die Schule seiner Enkel kam.
    Sein unbekümmertes Wesen und sein süffisanter Humor sorgten dafür, daß er allgemein beliebt war, und diejenigen, die beruflich mit ihm zu tun hatten, sprachen mit großem Respekt von seiner Kompetenz als Ermittler.
    Er und Susan hatten sich angefreundet, als er von den Angehörigen eines Mordopfers engagiert worden war, um das Verbrechen unabhängig von der Polizei aufzuklären.
    Susan vertrat die Anklage in diesem Fall, und die Informationen, die Chris ihr zukommen ließ, halfen ihr dabei, ein Geständnis des Täters zu erreichen.
    Ryan war aus allen Wolken gefallen, als sie ihm von ihrer Entscheidung erzählte, ihren Job bei der Staatsanwaltschaft an den Nagel zu hängen und wieder zur Uni zu gehen. »Du bist ein Naturtalent«, hatte er zu ihr gesagt. »Eine großartige Staatsanwältin. Warum willst du deine Zeit damit verschwenden, einem Haufen verwöhnter Jammerknochen zuzuhören, die ihr schweres Los beklagen?«
    »Glaub mir, es ist mehr als das, Chris«, hatte Susan lachend erwidert.

    Sie gingen immer noch hin und wieder zusammen essen, deshalb freute sich Chris, als Susan ihn am Donnerstag morgen anrief. »Brauchst du eine kostenlose

Weitere Kostenlose Bücher