Nimm doch einfach mich
Lebens gewesen. Als er ein paar Monate später nach New York gezogen war, hatte er jede Minute gehofft, ihr zufällig wiederzubegegnen. Und dann war es tatsächlich passiert, allerdings ganz anders, als er sich das vorgestellt hatte. Rhys Sterling, der Mann schaftskapitän des St.-Jude-Schwimmteams und sein neuer bester Freund, stellte sie ihm am ersten Schultag als seine Freundin Kelsey vor. Einige Wochen und eine blutige Nase später hatte Owen einen Freund verloren und eine Freundin gewonnen. Er hatte sich noch nie glücklicher gefühlt.
Warum nicht gleich wie Romeo?
Kelsey tippte Owen mit einem zart pfirsichfarben glänzenden Fingernagel an die Schläfe. »Hallo, jemand zu Hause?«, fragte sie mit gespielt beleidigter Stimme.
»Oh, tut mir leid!« Schnell beamte er sich in die Wirklichkeit zurück. Die war sowieso um Längen besser als jede Traumwelt. Er zog Kelsey an sich, ließ seine Hände sanft über ihren Rücken gleiten und küsste sie zärtlich. Ihr Lipgloss schmeckte nach englischem Toffee. Hinter ihnen pfiffen und johlten die Jungs anzüglich, bis Owen sich widerstrebend von Kelsey löste und seinen Teamkollegen einen warnenden Blick zuwarf.
»Gott, ihr Typen seid echt so was von albern«, lachte Kelsey und streckte ihnen die Zunge raus. Owen grinste das debile Lächeln eines Schwerverliebten. Alles war so viel besser, wenn sie da war. Was natürlich nichts daran änderte, dass ständig das schlechte Gewissen an ihm nagte, weil er das Leben seines besten Freundes zerstört hatte.
Tja, irgendein Opfer muss man nun mal bringen …
»Du hast mir gefehlt. Ich hab heute die ganze Zeit nur an dich denken können«, wisperte Kelsey, während sie mit dem blütenförmigen silbernen Anhänger ihrer Kette spielte. Ihre sprühregenbenetzte Haut schimmerte wie Morgentau, und Owen wünschte sich, sie würden in seinem mit Flanell bezogenen Bett liegen, statt hier mitten auf der Straße zu stehen. Er riss den Blick vom verheißungsvollen Ausschnitt ihres Trenchcoats los, nur um ein paar Zentimeter höher an ihren korallenroten Lippen hängen zu bleiben. Gott, sie war so sexy.
Unfähig, sich von ihr zu lösen, zog er sie noch einmal fest an sich und vergrub die Nase in ihren feuchten dunkelgoldenen Haaren.
»Harte Eier! Hart gekochte Eier«, pries ein Straßen verkäufer an der Ecke seine Waren an, woraufhin die Jungs aus dem Schwimmteam losprusteten, als hätten sie noch nie etwas Witzigeres gehört. Seufzend gab Owen Kelsey wieder frei.
»Komm, wir gehen ein paar Schritte.« Sein Blick glitt unruhig hin und her, als wäre er ein Verbrecher auf der Flucht. Bis auf eine Frau, die ihren sabbernden schwarzen Labrador im Laufschritt an den umzäunten Bäumen vorbeizerrte, war die 92. Straße menschenleer.
»Okay, aber ich will auf keinen Fall, dass du zu spät zu deinem Wettkampf kommst.« Kelsey nagte nervös an ihrer Unterlippe.
Owen lächelte gerührt. Es war ein schönes Gefühl, sich so umsorgt zu wissen. »Werd ich schon nicht«, beruhigte er sie mit fester Stimme und schloss die Finger um ihr Handgelenk. Liebevoll strich er über das zerkratzte Silber ihres Tiffany-Namenskettchens und tastete über die eingravierten Buchstaben: KAT. Es war das Kettchen, das Kelsey nach ihrer gemeinsamen Nacht am Strand zurückgelassen hatte. Er hatte es nach New York mitgenommen und abends immer unter sein Kopfkissen gelegt, in der Hoffnung, dadurch sein Traummädchen Kat heraufzubeschwören. Damals hatte er noch nicht gewusst, dass KAT ihre Initialen waren: Kelsey Addison Talmadge. Das Rätsel um ihren Namen passte irgendwie zu ihr und der Art, wie sie einfach in seinem Leben aufgetaucht war.
Sobald sie um die Ecke gebogen und außer Sichtweite seiner Schwimmteamkollegen waren, drückte er sie sanft gegen die Backsteinmauer des YMCA und beugte sich zu einem Kuss zu ihr hinunter. Dass es helllichter Tag war, kümmerte ihn kein bisschen. Nachdem sie ihre Gefühle wochenlang hatten geheim halten müssen, konnten sie jetzt endlich vor aller Welt zueinander stehen. Er spürte ihre langen Wimpern auf seiner Wange, ihren straffen Körper, der sich so unglaublich gut anfühlte, und …
»Sehr stilvoll, Carlyle!«, riss ihn eine Stimme aus seinem Liebestaumel. Er löste sich von Kelsey und fuhr sich verlegen mit dem Handrücken über den Mund. In der einen Hand lässig eine Speedo-Schwimmtasche schwingend und mit der anderen über seinen dichten Vollbart streichend, kam sein Schul- und Mannschaftskollege Hugh Moore die Straße
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