Nimm doch einfach mich
leichthin. »Oha, Sie haben ja gar nichts mehr zu trinken«, bemerkte er dann und gab der vorbeihuschenden Kellnerin ein Zeichen. Nur wenige Sekunden später stand ein frischer Wodka-Gimlet vor Avery.
»Was gefällt Ihnen denn am besten an dieser tollen Stadt?«, knüpfte James an ihre letzte Bemerkung an und beugte sich wieder etwas näher zu ihr vor.
»Dass es hier keine Regeln gibt.« Avery errötete, nahm einen tiefen Schluck von ihrem Drink und rückte ein paar Zentimeter von ihm ab. Dass er jetzt plötzlich so offensichtliches Interesse bekundete, überforderte sie dann doch etwas. Fand sie ihn anziehend? War das tatsächlich ein Date? Viel zu viele Fragen wirbelten ihr durch den Kopf.
»Keine Regeln? Ooo-kay!« James' Augen begannen zu leuchten. »Erzählen Sie mir mehr! Sind diese Privatschulen für Mädchen wirklich so ein Sündenpfuhl, wie die Medien uns immer glauben machen wollen?«
»Nein, das ist natürlich maßlos übertrieben. Aber langweilig ist unser Leben auch nicht gerade …« Avery versuchte sich verzweifelt an eine Anekdote aus ihrem Leben an der Constance Billard zu erinnern, die James interessieren könnte. Natürlich konnte sie ihm nicht erzählen, dass sie nur zwei Freundinnen an der Schule hatte: ihre Schwester und ein gepierctes, tätowiertes Mädchen, das womöglich bisexuell war. »Meine Freundin Jiffy gibt sich gerne als ihre ältere Schwester aus, um sich auf VIP-Partys und Galas einzuschleichen, und eine andere Freundin von mir klaut sich Klamotten aus dem Fundus der Modezeitschrift, bei der ihre Mutter Chef redakteurin ist«, erzählte sie schließlich.
»Ja, aber das ist doch Schulmädchenkram. Ich wette, das würden Sie ganz genauso machen, wenn Sie die Gelegenheit dazu hätten«, winkte James ab. »Erzählen Sie mir lieber vom Glamourleben der Jeunesse dorée der Upper East Side.«
»Na ja, wir kommen in jeden Club der Stadt, ohne dass irgendwer unsere Ausweise sehen will. Und meine andere Freundin Genevieve macht immer mit total langweiligen, drittklassigen Hollywoodschauspielern herum, die sich aber nur mit ihr abgeben, weil ihr Vater Regisseur ist.« Avery schlug die Beine übereinander und kam langsam in Fahrt.
»Sie brauchen noch einen Drink!« James winkte der Kellnerin und legte dann eine Hand auf Averys nacktes Knie. Als sie den Blick senkte und sah, dass er keinen Ehering trug, zog sich ihr Magen nervös zusammen.
Meint sie nicht vielmehr wohlig ?
»Das klingt doch schon spannender, Süße. Was für Geschichten haben Sie noch auf Lager?«, fragte James. Avery blinzelte und spürte, dass sie leichte Konzentrationsschwierigkeiten hatte. Worüber hatten sie gerade geredet? Egal! James hatte sie Süße genannt! Ihre Fantasie begann augenblicklich, das Drehbuch für ihr gemeinsames Leben zu schreiben: Sie würden heiraten und beide als einflussreiche Journalisten arbeiten, die die Macht besaßen, das Ansehen anderer zu steigern oder aber zu zerstören. Sie würden das Paar der Stadt sein und in ihrem klassischen New Yorker Sechs-Zimmer-Apartment verschwenderische Dinnerpartys geben, auf denen sich alles traf, was in der Medienwelt Rang und Namen hatte.
James räusperte sich und lehnte sich wieder ins Kissen zurück. »Aber vielleicht sollten wir jetzt endlich einmal anfangen, ernsthaft zu arbeiten. Wie hat dieses Cashman-Loft-Mädchen es geschafft, New York innerhalb so kurzer Zeit in seinen Bann zu ziehen?« Er zog fragend eine Braue hoch.
»Sie meinen Jack?« Averys Hochstimmung bekam einen kräftigen Dämpfer. Sie hätte lieber über etwas anderes gesprochen. Zum Beispiel über sich selbst. Oder über sich und James. Um Zeit zu gewinnen, hob sie ihren eben servierten Wodka-Gimlet an die Lippen und nahm einen Schluck. Dass es bereits ihr dritter war, fiel ihr erst auf, als sie ihn bereits zur Hälfte ausgetrunken hatte.
»Sie ist … anders«, sagte sie schließlich.
»Inwiefern? Wie ist sie überhaupt an dieses Loft gekommen?«
»Das waren … besondere Umstände«, antwortete Avery geheimnisvoll. »Ihr Freund ist ein Cashman und sie steht seiner Familie sehr nahe. Außerdem hätte sie es sich gar nicht leisten können, dieses Angebot von Dick Cashman abzulehnen. Ihre eigene Wohnsituation war nämlich ein bisschen prekär …« Sie verstummte.
»Ihr Freund muss vollkommen verrückt nach ihr sein, wenn er seinen Vater dazu gebracht hat, ihr ein eigenes Apartment zu schenken«, dachte James laut nach.
»Sieht ganz so aus«, stimmte Avery zögernd zu, obwohl
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