Nimm mich jetzt!
nichts. Mit Sicherheit sah sie aus wie ein Zombie. Sie spürte seine Wärme neben sich und wagte nicht, ihn anzusehen. Es war ihr auch egal, ob er sie verfolgte. Ihr war im Moment alles egal. Er legte seinen Arm um sie. Einfach so. Sie ließ es geschehen. Noch mehr Tränen flossen und sie vergrub ihren Kopf an seiner Brust. Trotz der Kälte war seine Jacke offen und der Stoff des schwarzen Polohemdes verlockend weich. Sie weinte und weinte. Er strich ihr über den Kopf und sagte nichts.
Irgendwann spürte sie, dass sie sein Shirt durchnässt hatte, und hob den Kopf. Er hielt ihr ein weiteres frisches Taschentuch entgegen. Sie wischte sich erneut über die Augen, die mittlerweile wie die Hölle brannten, und schniefte undamenhaft.
„Was tun Sie hier?“ Sie sah ihn an und konnte nichts in seinem Blick lesen, nur einfach wieder feststellen, wie wunderschön er war.
„Papiertaschentücher verteilen.“
Diana musste wider Willen lachen, was sich eher wie ein Glucksen anhörte. „Gehören Sie zu einem Verein, der Papiertaschentücher an Bedürftige verteilt? Und machen ehrenamtlich jeden Sonntag Dienst?“
„Sie meinen die Taschentuchheilsarmee?“ Er lachte ebenfalls.
Sein Lachen war unglaublich und löste Gänsehaut bei ihr aus. Sollte er sie jemals an einer intimen Körperstelle berühren, würde sie wahrscheinlich in Flammen aufgehen oder explodieren.
„Warum verfolgen Sie mich?“
„Auch wenn Sie mir nicht glauben werden, das tue ich nicht.“
„Aber ...“
Sein Handy klingelte. Er nahm ab und neugierig lauschte sie, aber mehr als ein Ja von seiner Seite bekam sie nicht zu hören.
„Tut mir leid, ich muss los.“ Er stand auf. „Kommen Sie klar?“
Dieses Mal konnte sie etwas in seinem Blick erkennen. Es war eindeutig Besorgnis. „Ja, wenn Sie noch ein Taschentuch für mich haben?“
Er reichte ihr lachend das Päckchen.
„Danke“, sagte Diana und keuchte, als er sie sanft auf die Stirn küsste und dann verschwand.
17
Diana meldete sich am Montag krank. Sie war es wirklich. Und sie hatte es sich selbst zuzuschreiben. Stundenlang im kalten Nieselregen auf einer Mauer zu sitzen, war nicht gerade gut für die Gesundheit. Mit Fieber und einem dicken Schnupfen lag sie im Bett und grübelte vor sich hin. Wer war bloß John Peterson, warum tauchte er immer wieder in ihrer Nähe auf?
Eines konnte sie sagen, mit Sicherheit wollte er ihr nichts antun. Aber was wollte er dann? Er machte keinerlei Anstalten, etwas mit ihr anzufangen. Womit sie bei der nächsten Frage war. Hatte Sylvia recht? War sie ein Flittchen? Eine Hure?
Sie war Single und Spaß zu haben mit vielen verschiedenen Männern, machte einen das zu einer Hure? Traurig hielt sie den Zettel in der Hand, den Sylvia ihr unter der Tür durchgeschoben hatte. Die Reise nach Mallorca war abgesagt. Das erinnerte Diana daran, dass Weihnachten mit großen Schritten näher kam, und wenn sie etwas hasste, war es das Fest der Liebe und der Familie. Den ganzen Tag hatte sie mit sich gerungen, ob sie allein wegfahren sollte. Sie schaute noch mal auf die Zeilen von Sylvia und entschied sich dagegen. Das wäre ja noch armseliger. Drei Tage, die würde sie ja wohl allein überstehen.
Sie nahm noch zwei Grippetabletten und ging dann zurück ins Bett, morgen musste sie auf jeden Fall wieder ins Büro, es gab einfach zu viel zu tun. Und sie musste ja auch noch den Hauptdarsteller für den Werbespot aussuchen.
Diana schaffte es, sich am Dienstag ins Büro zu schleppen. Ihre Chefin fiel direkt über sie her.
„Was ist denn jetzt mit unserem Hauptdarsteller? Sind wir einer Meinung?“
Diana nickte ergeben. „Ja, wir nehmen diesen John Peterson.“
„Super. Der Spot wird kurz vor Weihnachten gedreht, vielleicht können wir ihn ja zur Weihnachtsfeier einladen.“
Diana verkniff sich zu fragen, was das bringen sollte, denn Frank wäre ja sicher auch auf der Feier, aber stattdessen sagte sie: „Ich kümmere mich darum und rufe die Agentur an.“
„Sehr gut!“ Damit tänzelte Martina aus dem Büro.
Nach einer Stunde war die Sache klar. John Peterson war gebucht. Diana hatte es aber nicht geschafft, seine Telefonnummer herauszufinden. Er hatte sich Sonderkonditionen erbeten, jeglicher Kontakt würde zunächst über die Agentur laufen. Das wunderte sie ein wenig. Es erleichterte die Arbeit, wenn sie selbst in Kontakt mit den Models treten konnte. Bisher hatte auch noch keiner was dagegen gehabt. Wenn sie sich die Sache noch mal überlegte, wusste sie
Weitere Kostenlose Bücher