Nimm mich
Bist du im Regen an der Seine spazieren gegangen? Wie ist das Essen dort?“
Joshua musste darüber lachen, wie die Fragen aus ihr heraussprudelten. Typisch Jessie. Wenn sie ihn mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit überschüttete, war er wie berauscht. In dem flackernden Kerzenlicht sah ihre Haut durchsichtig und unglaublich zart aus. Zwar hatte sie ihre langen, eleganten Beine unterm Tisch versteckt, aber er spürte, wie ihr Fuß seine Wade streifte.
Sobald dieser erste Zauber verflogen war, würde er nicht mehr so viel Zeit und Energie darauf verwenden müssen, sie ins Bett zu bekommen. Er wollte seine Zeit nicht damit verschwenden, sich vorzustellen, wie es war, mit ihr zu schlafen. Er wollte es einfach tun und sich dann wieder voll und ganz auf Falcon International konzentrieren.
Tagtäglich kaufte er finanzschwache Firmen auf, stellte kompetente Manager ein und verkaufte die Firmen, sobald sie schwarze Zahlen schrieben. Er fühlte sich an diese Unternehmen emotional genauso wenig gebunden wie an die Frauen, mit denen er ausging. Alles in seinem Leben war kontrolliert, geplant und zeitlich begrenzt.
Wobei er den Zeitpunkt des Endes wählte.
Es war schon Jahre her, dass er sich so viel Zeit damit gelassen hatte, eine Frau zu verführen. Und noch länger war es her, dass er eine Frau so sehr begehrt hatte wie jetzt Jessie. Wenn er genauer darüber nachdachte, konnte er sich überhaupt nicht an einen solchen Fall erinnern. Und ihm fiel auch keine Frau ein, die ihm derart gut zuhörte, ohne ihm einfach nur imponieren zu wollen – vielleicht erklärte das seine unerhörte Geduld mit ihr.
Und die Tatsache, dass er überhaupt noch hier war. Und so wahnsinnig erregt.
In den letzten Wochen hatte er, meist während der transatlantischen Telefongespräche, herausgefunden, dass sie viele gemeinsame Interessen hatten: alte Filme, japanisches und italienisches Essen, Skifahren. Weniger interessierte er sich fürs Fallschirmspringen oder Bungee-Jumping. Jessies Vorliebe für gefährliche Sportarten entsetzte ihn. Obwohl er nicht wusste, wieso, wollte er diese komplizierte Frau besser verstehen, und deshalb brachte er das Thema erneut zur Sprache.
„Ich kapiere deine Begeisterung einfach nicht“, sagte er schließlich, nachdem sie ihm von einem kürzlichen Kletterausflug erzählt hatte. „Was genau findest du an der Gefahr so spannend?“ Ihre Haut war so zart, ihre schlanken Hände sahen beinahe zerbrechlich aus. Er verkniff es sich, sie zu berühren. Er war kein typischer Händchenhalter. Er runzelte die Stirn. Selbst die Vorstellung, die Hand dieser Frau zu halten, war reizvoll.
„Alles.“ Ihre Augen sahen geheimnisvoll dunkel aus in dem schummrigen Licht. Ihr Blick wanderte wieder zum Nebentisch und dann zurück. Das Baby hämmerte mit einem Löffel auf das Tablett am Kinderstuhl.
„Ich schätze, es handelt sich um denselben Adrenalinschub, den du hast, wenn … du weißt schon, wenn du eine Firma aufkaufst. Man hat dieses berauschende Gefühl, am Leben zu sein. Man kann das Gefühl von Macht verdoppeln. Ich fühle mich dann unbesiegbar …“ Sie zuckte mit den schmalen Schultern. „Das ist schwer zu erklären. Warum kommst du das nächste Mal nicht einfach mit?“ Sie warf ihm einen rätselhaften Blick zu, den er nicht recht ergründen konnte.
„Danke“, sagte Joshua trocken und nahm einen Schluck Wein. „Ich bleibe lieber bei den Fusionen und Übernahmen. Dabei kann ich mir wenigstens nicht die Knochen brechen.“
„Das habe ich zum Glück bisher auch noch nicht. Glaub mir, ich stehe nicht auf körperlichen Schmerz. Es geht nur um den Rausch.“
„Du tust Dinge, die ganz klar die Gefahr bergen, dass du dich verletzt oder sogar stirbst. Und das gefällt mir nicht.“ Das gefiel ihm sogar ganz und gar nicht, wie er wütend erkannte.
„Ich bin immer sehr vorsichtig.“ Sie beobachtete ihn mit einem seltsamen Ausdruck in den dunklen Augen. „Bisher hat sich noch nie jemand Sorgen um mich gemacht.“ Ein schmerzliches Lächeln lag auf ihren Lippen, sie schaute auf ihre Lasagne und dann wieder in seine Augen. „Ich werde wahrscheinlich sowieso bald damit aufhören.“ Schon wieder blitzte etwas in ihrem Blick auf und war dann wieder verschwunden.
„Irgendwie bezweifle ich, dass jemand dich dazu bringen könnte, etwas zu tun, was du nicht tun willst.“ Seine Stimme war kühl.
Sie nahm das Weinglas in die Hand.
„Wenn die Gründe stimmen …“, sie prostete ihm zu, „… wäre das schon
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