Nimm mich
sein.
Sie löste ihre Zunge. Schmerzhafte Enttäuschung legte sich schwer auf seine Brust. Nein. Er verstärkte seinen Griff. Aber Jessie war offenbar auch noch gar nicht fertig mit dem Kuss. Sie ließ ihre feuchten Lippen über seine wandern, einmal, zweimal, dann biss sie mit ihren starken, weißen Zähnen in seine Unterlippen und hörte nicht auf, sein Gesicht zu streicheln.
Niemals zuvor hatte Joshua so etwas erlebt. Himmel, natürlich war er schon oft genug erregt gewesen. Angemacht worden. Sex war schließlich etwas Schönes. Befriedigend. Und gut gegen Stress. Aber von Jessie wollte er … was? Mehr? Ihm wurde kurz ganz schwindelig, als sie sich an ihm rieb.
Sie war gefährlich … tödlich. Verflucht, er wollte keine Verpflichtung eingehen. Sie sollte genau so sein, wie die anderen Frauen, mit denen er geschlafen hatte. Sie musste genau so sein. Etwas anderes konnte er einfach nicht zulassen.
Schließlich löste sie ihre Lippen von seinen. „Wir wandern in den Knast, wenn wir nicht langsam aufhören.“
Joshua betrachtete sie mit verschwommenem Blick. „Bitte?“
Jessie lächelte, ihre Lippen waren rosarot, feucht und ein wenig geschwollen vom Küssen. Ihr ungebändigtes Haar wehte in der kühlen Frühjahrsbrise, ein paar Strähnen hatten sich in seinem Pulli verfangen. Schweißten sie zusammen.
Joshua machte einen Schritt zurück und vergrub die Hände in den Taschen seiner Armanihose. „Ich mag keine Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit.“
„Ach wirklich?“ Jessies braune Augen funkelten. „Daran werde ich denken, wenn du mich das nächste Mal in der Öffentlichkeit küsst.“
Ein weiteres Abendessen. Joshua hatte sich gelobt, diese Frau nirgends mehr zu treffen, wo es gefährlich werden konnte. Wie auf einem Flohmarkt. Oder auf einem Parkplatz. Oder neben ihrem Auto vor dem Kino im hellen Tageslicht.
Dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte, wusste er schon lange. Er war nicht in der Lage, echte Gefühle zu haben. Oh, natürlich konnte er die meisten Leute an der Nase herumführen, und er war auch ziemlich stolz auf seine Fähigkeit, diese Illusion zu erschaffen. In Wahrheit hatte er aber noch nie emotionale Höhe- oder Tiefpunkte erlebt wie andere Leute. Offenbar fehlte ihm irgendein Gen.
Natürlich könnte er seinen gefühllosen, kalten Eltern die Schuld dafür geben. Aber er war inzwischen erwachsen, in der Lage, ihren Egoismus als das zu sehen, was er gewesen war. Nein, diese Schwäche musste er sich ganz alleine zuschreiben. Er war einfach nicht in der Lage, tief zu empfinden. Was er allerdings nicht als Problem empfand. Seit dreiunddreißig Jahren kam er hervorragend damit zurecht.
Es war einfach, sich nicht groß mit seinen Affären aufzuhalten. Niemand wurde verletzt. Er war aufrichtig, er sagte den Frauen immer, dass er kein Interesse an einer ernsthaften Beziehung hatte. Verdammt, er konnte einfach keine ernsthafte Beziehung führen. Das war nicht seine Art. Er überließ es immer den Frauen, ob sie bei ihm bleiben wollten oder nicht.
Sie konnten es akzeptieren oder nicht. So war er einfach. Ein Eisklotz eben.
Joshua hatte ganz kühl analysiert, wieso er sich so zwanghaft zu Jessie hingezogen fühlte. Er würde nicht zulassen, dass sie ihm nahe genug kam, um ihn bis zu seinem leeren Herzen zu durchschauen. Sie sollte nicht sehen, dass er wie eine leere Hülle durchs Leben ging. Wie Pinocchio wollte er so tun, als ob er ein echter Junge wäre. Leider aber hatte er ein Herz aus Stein. Wenn er überhaupt eines hatte.
Irgendwie war er ganz froh darüber, dass Jessie niemals erfahren würde, wie sehr er innerlich durch ihre Lebenslust aufblühte.
„Bist du sauer, weil ich ohne dich nach Paris geflogen bin?“, fragte er. Sie war den ganzen Abend über sehr ruhig gewesen.
„Erstens.“ Jessie brach ein kleines Stück von dem Brot ab und reichte es ihm mechanisch. „Ich bin viel zu beschäftigt, um einfach mal so durch Europa zu schwirren. Zweitens wäre ich nicht mitgekommen, selbst wenn du mich gefragt hättest.“
„Warum bist du dann so verärgert?“
Ihre braunen Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz aussahen, als sie ihm einen gereizten Blick zuwarf. „Du warst zehn Tage weg.“
Joshua unterdrückte ein zufriedenes Lächeln. „Das ist doch nun wirklich keine lange Zeit, oder?“
Eine bedeutungsvolle Stille entstand, dann sagte sie: „Ich hasse solche Spielchen.“ Mit einem Mal sah sie ganz verloren aus. Ihr Blick war nicht mehr böse.
„Dafür spielst
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