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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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wühlen. Ich sah wieder hinüber zu Serkoff und sah, wie er
kleiner wurde. Er trat einen Schritt zur Seite und sank in den Regiestuhl,
behutsam und ohne einen Laut. Sein Gesicht war jetzt besser zu erkennen. Ich
wandte den Blick zu Paul, der jetzt die Briefe gefunden hatte und las. Die
Kamera fuhr näher und schwenkte. Alles lief ausgezeichnet.
    Dann hörte ich ein knirschendes,
schleifendes, häßliches Geräusch. Es kam aus Serkoffs Richtung, von oben her.
Ich hob den Kopf und merkte im gleichen Augenblick, wie Reinold wütend
herumfuhr.
    »Welcher Trottel...«
    Eine dunkle Masse schoß herunter, aus
unermeßlicher Höhe, schwer, nicht aufzuhalten, tödlich. Ich wußte, was es war.
Ich griff neben mich, um mich festzuhalten, aber meine Hand fand nichts.
    »Serkoff!« schrie ich.
    Zu spät. Der Scheinwerfer traf ihn ins
Genick. Er stampfte seinen Körper zusammen, polterte donnernd zu Boden. Serkoff
fiel mit dem Stuhl zur Seite wie eine Stoffpuppe.
    Jetzt schrien viele Stimmen
durcheinander. Immer mehr Lichter flackerten auf.
    Dann überall Lichter und Entsetzen. Ich
sah neben mir den Jühl. Sein Gesicht war so bleich, als wäre er nie geschminkt
worden. Sie drängten sich in einem wirren, verzweifelten Kreis um die
verkrümmte Gestalt am Boden. Wie ein Fels lag der Scheinwerfer zwischen ihnen.
Alle wollten helfen.
    Serkoff war schon tot.
     
     
     

V
     
    Die Kriminalbeamten waren so echt, daß
sie für einen Film niemals zu gebrauchen gewesen wären. Im Augenblick standen
sie um die stille Gestalt Serkoffs herum und um den Scheinwerfer, der ihn
erschlagen hatte. Wir alle blieben an unseren alten Plätzen. Es war ein Befehl
Reinolds gewesen, jeder hatte ihn befolgt.
    Ich fühlte mich sauelend.
    Der Kommissar sah sich den Scheinwerfer
an. Es war einer der dicksten Dinger, die überhaupt in der Halle herumstanden,
ein Fünf-Kilowatt, schwer wie eine Wasserstoffbombe. Er wurde nur
eingeschaltet, wenn wir strahlende Lenzsonne vor dem Fenster markieren sollten.
Jetzt hatte er nutzlos umhergestanden, hoch über Serkoffs Kopf, oben auf dem
mächtigen Balken, der eine der Wände hielt. Niemand hatte ihn gebraucht,
niemand hatte sich um ihn gekümmert.
    Niemand?
    Zumindest nicht diejenigen, die es
hätten tun sollen.
    Aus dem Gesicht des Oberbeleuchters war
alle Fröhlichkeit gründlich verschwunden. Seine Schweinsaugen blickten ratlos
umher.
    Der Kommissar richtete sich auf. Er
hatte einen Indianerkopf mit glattem schwarzem Haar. Er machte im ganzen einen
netten Eindruck, aber er schien sich zu freuen, den Leuten, die so viele
schlechte Filme auf ihn losgelassen hatten, ein bißchen Angst machen zu können.
Seine Augen richteten sich auf unseren unglücklichen Beleuchterchef.
    »Und?«
    Der Dicke fuhr sich über den Schädel,
aber die Schweißtropfen kamen wieder.
    »Ick vasteh’ det nich! Det jeht ma nich
in’n Kopp! Ick mach det zwounzwanzich Jahre, Herr Kommissar. Zwounzwanzich
Jahre! Det kann nich wahr sein!«
    »Was?«
    Der Kommissar schien unnötige Anstrengungen
nicht zu schätzen.
    »Det Ding war nich anjeschraubt!
Überhaupt nich festjeschraubt! Stand lose uff een Been, wie det Männlein in
Walde! Det mußte ja runtakomm’n, wenn et eena nur schief ankiekt!«
    »Wer ist dafür verantwortlich?«
    Der Oberbeleuchter sah ihn an wie ein
sterbender Hund. Er tat mir leid.
    »Na, ick natürlich. Und hier, wat
Justav is. Der is oben uff de Brücke.«
    Der Kommissar sah hinauf. Gustav war
ein bierehrlicher Gewerkschaftler und mit im Betriebsrat. Sein bleiches Gesicht
schimmerte hinunter. Er hatte an einem anderen Scheinwerfer gesessen, etliche
Meter entfernt von dem Unglücksding. Gustav antwortete, ohne gefragt zu sein.
Im Betriebsrat machten sie es wohl so.
    »Ich hab’ den Scheinwerfer vorige Woche
montiert, Herr Kommissar. Der hat festgesessen wie’n Ast.«
    Der Kommissar schien nicht daran zu
zweifeln.
    »Haben Sie heute früh nachgesehen?«
    Gustavs Stimme wurde leiser.
    »Nee, hab’ ich nich...«
    »Sie?«
    »Nee, Herr Kommissar, wenn die Dinger
mal fest sinn, denn sinn se fest. Un wenn eena umjestellt wird, denn wird a wieda
festgemacht. Die annan sinn ja ooch alle fest.«
    »Die anderen stehen auch noch oben«,
sagte der Kommissar.
    »Ja.« Der Kopf des Oberbeleuchters fiel
nach unten. Dann kam er schnell wieder hoch. Die dicken Lippen zitterten.
    »Es muß eena dran rumjedreht ham, Herr
Kommissar. Et is nich anners möchlich. Ick war et nich. Un Justav ooch nich.«
    Der Kommissar gab keine Antwort.

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