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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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er...«
    Kirschbaum brach ab. Seine Nasenflügel
zitterten.
    »Ja, bevor er«, sagte ich.
    Er steckte den Zettel ein und ging.
Tina sah mich nicht an. Ihr Gesicht war wieder trocken.
    Der Korridor lag tot da. Sicher saßen
sie alle in ihren Büros und Garderoben und fürchteten sich vor dem Kommissar.
Ich kam vorbei an Gabys Schild. Niemand antwortete, als ich leise an die Tür
klopfte. Sie war nicht verschlossen. Die Unordnung war weg, alles hübsch sauber
aufgeräumt, wie ein Zimmer, das für 180 Mark vermietet werden sollte. Stefans
Bild steckte noch hinter dem Spiegel, und daneben stand die Blumenvase, groß
und leer. Mir fiel ein, was Gaby von den verschwundenen Blumen gesagt hatte.
Als ich weiterging, vergaß ich es wieder. Wahrscheinlich war Gaby zu Hause. Sie
würde auf ihrem Bett liegen und weinen, alle Tränen, die sie hatte.
    Dann betrat ich den Gang, von dem die
Tür zum Vorführraum abging. Ein paar Schritte dahinter war der Mann in Pauls
Garderobenmantel verschwunden. Ich nahm dieselbe Biegung, vielleicht ging ich
auf der Spur des Mörders, kam vorbei an Pauls Garderobe. Einen Augenblick
zögerte ich, ob ich hineingehen sollte. Ein Mann trat heraus. Der Kommissar mit
Zigarette.
    »Ach«, sagte er in seinem gewohnten
friedlichen Ton, »zu Ihnen wollte ich gerade.«
    »Ich auch. Hab’ noch mit Herrn
Kirschbaum gesprochen.«
    Wir wanderten nebeneinander her. Ich
hielt es aus bis zur Galerie. Dann fragte ich.
    »Dauert’s noch lange, bis Sie mich
mitnehmen?«
    Er sah mich von der Seite an, ohne zu
sprechen, bis wir in meiner Bude waren.
    »Ach, wissen Sie«, sagte er zwischen
Ziehen und Rauch, »man blamiert sich so ungern vor der Staatsanwaltschaft. Ich
muß schon noch ein bißchen mehr gegen Sie zusammenbringen. Sie haben nachts den
Scheinwerfer losgeschraubt, haben an dem Kabel gezogen als niemand aufpaßte,
haben Reinold erstochen und sind dann zum Telefon gegangen, übrigens — Fräulein
Dostran hat eine niedliche Stimme.«
    »Sie müssen sie schimpfen hören«, sagte
ich.
    »Geschimpft hat sie nicht, nur Ihr
Alibi bestätigt. — ja — dann haben Sie noch den komischen Mann mit dem Mantel
gesehen — «
    »Ich habe noch mehr komische Sachen
erlebt.«
    »So, was denn?«
    Ich erzählte ihm von der Nacht und von
dem Mann im Dunklen über der Dekoration und von meinem Mut.
    »Warum haben Sie mir nichts gesagt?«
    »Wollte mich auch nicht blamieren.
Außerdem war Kirschbaum dagegen. Er hält nichts von Scherereien.«
    Nogees saugte und schwieg. Nach einer
Weile sagte er:
    »Wieder so ein Unbekannter. Tja — wie
gesagt, es kommt allerhand zusammen. Nur noch kein Motiv.«
    »Eben, seit zwölf Jahren kenne ich
Reinold. Seit zwölf Stunden frage ich mich, warum ich ihn umbringen sollte.«
    »Manches fällt einem eben erst
hinterher ein«, sagte er.
    Er lächelte plötzlich, und ich fühlte
mich sicher bei ihm.
    »Herr Kommissar — Kirschbaum hat mich
gebeten, Reinolds Frau zu benachrichtigen. Möglichst heute. Darf ich hingehen?
Ich fahre nicht zum Flugplatz und nehme ein Ticket nach Rio.«
    »Rio ist auch zu teuer.« Er
zerquetschte einen Stummel. »Gehen Sie.«
    »Vielen Dank.«
    Ich griff in meine Schublade und holte
eine Packung Zigaretten heraus.
    »Ach — weil gerade so viel bestochen
wird im Land vielleicht werden sie mal knapp — «
    Er steckte die Packung ein. Er schien
sich nicht zu schämen.
    »Bestechen Sie mich ruhig öfter.«
    Er stand schon mit einem Bein auf der
Galerie. Das andere war noch in meiner Zelle, als er sich umdrehte.
    »Ach, Trubo, waren Sie eigentlich in
der Hitlerjugend?«
    »1936 bis 1939«, antwortete ich
wahrheitsgemäß. »Hitlerjunge Trubo, Motor-HJ, Bann 106. Seit 1939 ruht die
Mitgliedschaft. Sie ruht heute noch.«
    »Hm, hm«, machte er und zog meine neue
Schachtel schon wieder aus der Tasche. »Das Messer in Reinolds Rücken ist ein Fahrtenmesser
von der HJ. So eins mit Raute und Hirschhorngriff, zum Kartoffelschälen, wenn
man singend durch die Lande zog, um Großdeutschlands Gaue kennenzulernen.«
    »Ach verfl...«, machte ich, aber er war
schon weg. Als ich mir die Hände wusch, zitterten sie ein bißchen. Dreimal
verlor ich die Seife.
    Die kühle Luft tat mir gut, obwohl sie
leicht nach Benzin und nach Motor roch. Sie strich durch das linke vordere
Fenster herein und durch das hintere wieder hinaus. Mein Ellenbogen lag auf dem
Fensterrahmen, und die Motorhaube wippte behäbig und beruhigend auf und nieder,
wenn der Wagen eine Bodenwelle nahm. Ein

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