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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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daß
sie ihr Taschentuch erst fand, als ihr Gesicht schon ganz naß war.
    Ich ging durch die andere Tür. Im
Zimmer waren Nogees, Kirschbaum und Paul Carolys. Kirschbaum saß ganz still.
Nichts an ihm flatterte, nichts war unruhig. Er hob die Augen zu mir, ohne den
Kopf zu bewegen. Dann starrte er wieder geradeaus.
    Er hätte nicht trauriger sein können,
wenn seine eigenen Kinder gestorben wären.
    »Guten Morgen«, sagte ich. »Melde mich
gehorsamst zurück, Herr Kommissar.«
    »Setzen Sie sich.«
    Er rauchte. Im Aschenbecher lagen schon
drei verkohlte Filter. Er würde des Pensionsalter nicht erreichen.
    »Herr Carolys war gestern abend nicht
mehr da, als Sie vom Telefon zurückkamen.«
    Seine Stimme war ruhig, ohne
Feindseligkeit.
    »Er hat den Mantel nicht mehr
angehabt.«
    Paul sah mich an wie ein Raubvogel, mit
faltigem Hals.
    »Tut mir leid, Paul«, sagte ich, »ich
sah jemanden von hinten, der so einen Mantel trug, wie du ihn hast. Schwarze
Seide, mit gelber Einfassung. Ich habe gedacht, du bist es. Ich habe gerufen,
aber er hat sich nicht umgedreht.«
    »Ich hätte mich umgedreht. Ich drehe
mich immer um, wenn mich jemand ruft.«
    Nogees nickte.
    »Verstehe. Hat noch jemand außer Ihnen
einen solchen Mantel?«
    Paul verneinte entschieden. Er hätte
ihn sofort abgeschafft, wenn er das bemerkt hätte.
    »Also könnte ein anderer Ihren Mantel
angezogen haben. War Ihre Garderobe abgeschlossen?«
    »Ja. Aber der Schlüssel steckte
draußen.«
    »Warum?«
    Kirschbaum hob die Hände.
    »Wir lassen immer alle Schlüssel
stecken. Oder sie sind in der Aufnahmeleitung. Für die Reinemachefrauen.«
    Nogees dachte nach. Ich wunderte mich,
daß er alles zu glauben schien, was ich gesagt hatte. Ein anderer hätte mich
längst im Untersuchungsgefängnis deponiert. Wie lange noch? Hatte er schon
einen anderen Verdacht? Er konnte sich Zeit lassen. Er hatte uns alle beim
Wickel, wie der Zauberkünstler die Kaninchen.
    Als er aufstand, fragte Kirschbaum:
»Sie werden den Mörder finden, Herr Kommissar? Sie müssen es!«
    Der Kommissar blickte sinnend auf die
qualmende Zigarette.
    »Das Motiv müssen wir finden, Herr
Kirschbaum. Haben wir das, finden wir ihn auch. Wie im Kriminalfilm. Meine
Herren, ich habe zu tun. Warten Sie bitte wieder in Ihren Büros.«
    Er ließ uns allein.
    »Tut mir wirklich leid, Paul«, sagte
ich noch einmal. »Ich habe weder Stefan umgebracht, noch wollte ich es auf dich
schieben.«
    Er winkte hastig ab. »Völlig klar,
völlig klar. Aber wer rennt in meinem Mantel rum?«
    Wir sprachen nicht.
    »So was«, murmelte Paul, »so was.« Dann
ging auch er.
    Ich blickte über Kirschbaums Kopf
hinweg zu dem leeren Stuhl am Schreibtisch.
    »Drehen wir weiter?« fragte ich.
    »Nein«, seine Nase bewegte sich langsam
hin und her. »Keinen Meter. Ich zahle aus und Schluß. Vielleicht später, wenn
alles geklärt ist. Jetzt nicht.«
    »Das ist nett von dir, Nathan«, sagte
ich.
    Er zuckte mit den Achseln. Dann
richtete er seine braunen, glänzenden Augen auf mich.
    »Tust du mir einen Gefallen, Hans?«
    »Ja.«
    Er zog einen Zettel aus seiner Tasche.
    »Seine Frau«, sagte er. »Sie weiß noch
nichts.«
    Meine Zusage reute mich so schnell, wie
ich sie gegeben hatte.
    Stefans Frau.
    Sie waren geschieden. Schon seit langer
Zeit. Seit fünf Jahren hatte ich sie nicht gesehen.
    »Meinst du, sie will es wissen?«
    Nathan blickte böse.
    »Natürlich will sie. Soll sie es aus
der Zeitung erfahren?«
    »Entschuldigung, Nathan. Es war eine
blöde Frage.«
    Er rutschte wieder zusammen.
    »Ich kann es nicht. Ich weiß auch
niemanden. Du hast ihn gefunden. Du mußt es machen.«
    »Ich muß es machen«, wiederholte ich.
    »Sollen wir es ihr per Telefon sagen?«
    Ihr macht sonst immer alles per
Telefon, wollte ich antworten.
    »Nein«, sagte ich. »Ich mache es.«
    Er beugte sich vor. Seine Finger
klopften an meine Wange.
    »Du hast mich noch nie im Stich
gelassen, Hans. Wenn du auch faul bist und viel trinkst. Hier ist die Adresse.«
    Westallee 80. Ziemlich weit im Westen,
die Gegend.
    »Mach es noch heute«, sagte Nathan,
»noch heute.«
    »Wenn der Kommissar mich rausläßt,
gern.« Ich stand auf während meiner Antwort. »Wenn er mich einsperrt, wirst du
doch selber gehen müssen.«
    »Warum soll er dich einsperren?«
    »Die brauchen immer jemanden zum
Einsperren. Wenn es der Falsche war, haben sie sich eben geirrt, würde Serkoff
sagen.«l
    »Red keine Machleikes! Sie finden den
Richtigen. Sie müssen ihn finden, bevor

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