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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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zum Büro von Röslin und öffnete mit der linken Hand
die Tür ohne anzuklopfen. Röslin blickte vom Schreiben auf. Das Licht von der
Schreibtischlampe zeichnete sein Profil ganz scharf. Er sah mich, kniff die
Augen zusammen. Sein Kugelschreiber fiel klackernd auf die Platte. Er stand
auf, schob seinen Stuhl zurück, immer weiter, bis zur Wand. Ich machte einen
Schritt vorwärts, drehte mich zum Spiegel und sah das Blut in meinem Gesicht.
Drei fleckige Streifen von meinen Fingern, aus Stefans Wunde.
    Röslin konnte nicht weiter zurück.
    »Was haben — hast du?« Seine Stimme
schien hinter ihm vorzukommen.
    »Ein bißchen Blut«, sagte ich. »Nicht
viel.«
    Ich war jetzt dicht bei ihm. Ich legte
die Schlüssel auf den Tisch, nahm mit der linken Hand den Hörer, drückte den
weißen Knopf, hörte das Amtszeichen. Der Notruf der Polizei war hundertelf. In
irgendeinem Funkwagen würden sie jetzt die Zigaretten aus dem Fenster werfen
und das Blaulicht einschalten.
     
     
     

XII
     
    Stefan saß im Vorführraum. Seine Augen
waren geschlossen. Er war jetzt kleiner geworden, war nicht mehr so massig und
bärenhaft. Der rechte Arm lag auf seinem Knie und halb auf der Lehne. Der linke
hing schlaff herunter. Der Dolch unter seinem linken Schulterblatt steckte
noch, aber der blutige Kreis rings herum war nicht größer geworden. Das Hemd
stand wie immer am Hals offen, und das Kreuz, das ihn nicht beschützt hatte,
hing schräg und blinkte matt.
    Sie hatten ihn fotografiert, von nah
und von fern, als lebte er noch und hielte eine Pressekonferenz vor der
Premiere. So viele Bilder waren gemacht worden von ihm in seinem Leben. Jetzt
war es das letzte Mal.
    Im Raum war Nogees, der
Nikotinkommissar, und noch fünf andere Leute von der Mordkommission,
Wittsteiner, der Mann aus dem Projektionsraum, Röslin und ich. Ich hatte dem
Kommissar alles erzählt, hastig und ohne Atem, nur um es schnell loszuwerden.
Diesmal war es nichts mit Unfall und Unvorsichtigkeit. Diesmal war es Mord.
    Wir drei, die noch dagewesen waren,
saßen nebeneinander in der hinteren Reihe, während sie sich mit Reinold beschäftigten.
Der Vorführer war bleich wie Porzellan. Viele Kriminalfälle und Morde hatte er
vorgeführt und ebenso viele gesehen. Jetzt schluckte er unaufhörlich und
schielte nach den Türen, als wollte er fliehen.
    Röslin starrte auf den Boden. Er konnte
nicht hinsehen. Ich tat es. Ich hatte meinen Schock hinter mir. Stefan war tot,
unabänderlich, sprach niemals wieder, drehte keinen Film mehr, kam nicht mehr
zurück.
    Haben sie es doch geschafft, dachte
ich. Haben sie dich doch erwischt, die Schweine. Hier vor unseren Augen. Dich
hatten sie gemeint mit dem Scheinwerfer. Nur dich. Oder gab es einen, der uns
alle haßte und uns auslöschen wollte, einen nach dem anderen? Warum?
    Der Kommissar kam lautlos über den
Teppich. Wir sahen hoch zu ihm, als sollten wir unser Urteil hören.
    »Sie haben einen Mann auf dem Flur
gesehen?«
    Ich nickte.
    »Ja. Ich hab’ gedacht, es wäre Paul — Herr
Carolys. Er trug seinen Garderobenmantel. Ich hab’ ihn angerufen, aber er ist
weitergegangen.«
    »Paul war nicht mehr da«, sagte Röslin.
»Er hat sich bei mir seine Dispo geholt, gleich nach der Vorführung, als alle
rauskamen. Da war er schon im Mantel.«
    »Wissen Sie wirklich, ob er gegangen
ist?« fragte der Kommissar.
    Röslin zog den Kopf zwischen die
Schultern.
    »Genau nicht, aber — aber — warum sollte
er warten und noch einmal den Garderobenmantel anziehen? Hier bleibt doch
keiner länger, als er muß.«
    »Haben Sie Herrn Trubo gesehen, als er
in Ihrem Büro war und telefoniert?«
    »Nein.«
    »War ein Haufen Leute drin«, sagte ich
ruhig. »Ein paar haben mich bestimmt gesehen.«
    »Wie lange haben Sie telefoniert?«
    Ich dachte an Elsie, ihre Stimme, ihre
Worte.
    »Zwischen fünf und zehn Minuten — länger
nicht — «
    »Wann?«
    »Genau sieben. Ich wollte um sieben zu
Hause sein und mußte Bescheid sagen.« Er nickte, sah von mir weg.
    »Und sie haben nichts beobachtet?«
    Wittsteiner fuhr zusammen, schluckte
entsetzlich. Er sah aus wie ein sterbendes Kaninchen.«
    »Nein, Herr Kommissar — nichts — was
mir aufgefallen wäre — , als Schluß war, hat Herr Reinold mit mir gesprochen
wegen der Probeaufnahmen — «
    Nogees zeigte mit seinen Nikotinfingern
auf die Durchbrüche in der Wand über uns.
    »Können Sie von dort aus in den Saal
sehen?«
    »Kann ich. Ich seh’, ob richtig
eingestellt ist. Nach der Bildschärfe und

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