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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Gelegenheit gewesen, ein
Held zu sein, so wie meine Papierhelden. Den Kerl schnappen, und Kampf im
Dunkeln auf Leben und Tod. Ich zog das Leben vor. Ich nahm meinen Kopf durch
den Türspalt herein und versuchte die Tür behutsam zu schließen. Sie klappte
ganz leise ins Schloß. Ich lehnte mich innen dagegen. Plötzlich fühlte ich
ziemlich unmännlichen Schweiß auf der Stirn. Es war bestimmt keine Furcht, es
waren die Nacht und das Dunkel, die schweigende Halle, die verdammte
Mordgeschichte im Drehbuch und die fatale Vorahnung von kommendem Unheil. Meine
Hand tastete nach oben zu dem eisernen Türriegel, ich schob ihn vor, er bewegte
sich, Gott sei Dank, er saß nicht fest und ließ sich vorschieben bis zum
Anschlag. Ich blieb stehen, alles in Ordnung, wunderbar, und nahm doch in
wahnwitziger Neugier die Hand herunter und hielt sie unter die Klinke, tastend
und ohne Druck. Zwei Sekunden geschah nichts.
    Dann bewegte sich die Klinke nach
unten.
    Beinahe hätte ich laut gerufen: Geirrt!
Wie Serkoff es getan hätte. Eine blödsinnige Schadenfreude überkam mich.
Draußen stand der Kerl, hier drinnen stand ich, und der Riegel war
vorgeschoben. Geirrt! Aber jetzt war kein Zweifel mehr. Es trieb sich jemand in
der Halle herum, der kein Licht brauchte und leise wie ein Tiger auf Strümpfen
lief. Ich hielt den Atem an und wartete. Die Klinke blieb unten, endlos lange,
wie mir vorkam. Mein Hals begann zu schwellen, und das Blut rauschte singend durch
die Ohren. Ich wollte Luft abblasen, da kehrte die Klinke langsam in die
Waagerechte zurück. Der Herr gab auf. Ich blieb stehen und begann weiter zu
atmen. Nichts war zu hören als mein eigener Puls. Ich wartete zwei Minuten,
dann schlich ich mich zu meinem Stuhl zurück, schaffte es, mich ohne Geräusch
hinzusetzen, und nahm eine neue Zigarette.
    Bis sie zu Ende war, durchdachte ich
den Fall. Es war meine Autorenphantasie, die aus einem harmlosen Wachmann einen
Attentäter hatte werden lassen. Alles Blödsinn und Hirngespinste. Der Gute
hatte einen Rundgang gemacht, Licht brauchte er nicht, weil der Laden ihm
vertraut war und die Birne an der Tür ihm Licht genug gab. Dann hatte er das
Klappen meiner Tür gehört und die Türen durchprobiert, um seine Pflicht zu tun.
Wahrscheinlich war er froh gewesen, alles verschlossen zu finden, und hatte
draußen die gleiche Angst ausgestanden wie ich drinnen. Na klar! Ein einziger
Irrtum das Ganze. Sehr zufrieden mit mir drückte ich die Zigarette aus. .
    Aber später wußte ich, daß es in
Wahrheit mein Irrtum gewesen war, der mich noch mehr Fehler begehen ließ, für
die ich viel Mühe brauchte, um sie wiedergutzumachen. Und ich erfuhr auch, daß
die Feigheit sich wieder mal bewährt hatte, wie so oft in dieser Welt.
     
     
     

IV
     
    Jemand donnerte mit der Faust an die
Eisentür. Eine Stimme rief hallend: »Herr Trubo, sind Sie tot oder nur
besoffen?«
    Es war der Jühl.
    »Moment!« rief ich.
    Ich stand auf, tastete nach dem
Lichtschalter und sah im Hellen auf die Uhr. Halb neun. Ich zog die
zerknitterten Hosen an, dann schob ich den Riegel zurück und öffnete die Tür.
Die Halle war hell. Nichts mehr von der drohenden Finsternis. Ich freute mich,
einen Menschen zu sehen und ein Gesicht. Der Jühl war schon geschminkt, aber
trotz der Chinesenfarbe sah er aus wie eine Mischung von John Wayne und Cary
Grant. Würde Unruhe geben unter den Damen.
    »So treten Sie denn über die Schwelle«,
sagte ich.
    Er klappte die Tür hinter sich zu. Ich
gab ihm den Schreibplatz und stelle mich vor das Waschbecken.
    »Herr Reinold schickt mich«, sagt er,
»er will Sie sprechen. Haben Sie die ganze Nacht gearbeitet?«
    »Ununterbrochen«, erwiderte ich durch
den Seifenschaum. Das Wasser tat mir gut. »Wie ist die Stimmung im Volk?«
    »Ganz gut. Reinold ist sanftmütig. Nur
Serkoff mit seinen funkelnden Augen sieht aus wie der Teufel persönlich.«
    »Kein Wunder. Serkoff hat die Gaby für
den Film entdeckt, und dann hat Stefan sie ihm unter der Bettdecke weggezogen.
So was verbindet. Von dem anderen Ärger ganz abgesehen.«
    Der Jühl schien das zu begreifen. Eine
zeternde Stimme aus der Halle übertönte sogar meinen Trockenrasierer.
Kirschbaum. Er schimpfte aus vollem Hals. Wahrscheinlich war irgendwo eine
Blume zuviel im Wasser gewesen. Ich pustete den abgeschorenen Bart aus dem
Apparat und war fertig.
    Wir marschierten die Stahltreppen
hinunter und mußten die Füße über Unmengen von Kabeln hinweggehen. Überall
stand etwas im Weg. Als ich

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