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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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leckte Leonore mir langsam und genüsslich das Blut von der Haut. Während sie an mir saugte, ließen mich winzige Nadelstiche erschauern. Als ich langsam in sie eindrang und mich in ihr bewegte, spürte ich ihren würzigen Atem im Gesicht. Ihre Küsse schmeckten nach meinem eigenen warmen Blut. Ihr auf diese Weise nah zu sein, war wie Opium. Mein Verstand versank vollends in den Bewegungen ihres warmen Körpers, in ihren großen Augen, die sich erneut mit Tränen füllten, nachdem mein Bewusstsein keuchend zum letzten Mal in ihrer Hand explodiert war und sie mir mit feuchten Fingern die blutverschmierten Lippen benetzte.
    Ihre Brüste hoben und senkten sich im Takt ihres ruhiger werdenden Atems. Während sie mit geschlossenen Augen auf mir lag, berührte ich ihren Hals, die Schultern, den Arm, strich ihr eine Strähne des dunklen Haars aus dem Gesicht. Sie öffnete die Augen. Ich wollte etwas sagen, doch sie legte mir sanft den Finger auf die Lippen, küsste mich fest auf den Mund und verbarg dann in einer Umarmung ihr Gesicht an meinem Hals. »Sind wir uns nah?« Es war ein heiseres Flüstern. »Fühlst du dich mir nah, Richard?«
    Ich starrte an die Decke und berührte Leonores Hals, strich ihr durchs Haar. »Als wärst du immer schon da gewesen«, gab ich leise zur Antwort. Leonore war mir vertraut. Das zumindest gaukelten mir meine Gefühle vor. Sie besaß etwas Hypnotisches. Ein Teil des Verstandes erinnerte mich an die blutverschmierten Bettlaken, an die kleinen schmerzhaften Bisse, die mich in jenen lustvollen Rauschzustand versetzt hatten, der alles andere bedeutungslos hatte werden lassen.
    »Ich bin ein wenig verschroben«, beichtete sie mir später.
    »Deine Vorlieben sind nicht unbedingt«, ich suchte nach einer geeigneten Umschreibung, »gewöhnlich.«
    »Extravagant?«
    »Ja, ein wenig.«
    »Das Gewöhnliche«, gab sie zu bedenken, »ist so langweilig. Wenn der Schmerz ehrlich ist, dann bringt er die Menschen einander näher. Nietzsche behauptete, dass nur das, was nicht aufhört, weh zu tun, im Herzen bleibt. Du kannst nicht leugnen, dass es dir gefallen hat.«
    »Ich liebe dich«, flüsterte ich.
    »Sag das nicht.«
    Als mich Leonore bei Tagesanbruch verließ, wollte ich sie nicht gehen lassen. Die Angst, sie nicht wiederzusehen, bemächtigte sich meiner mit aller Heftigkeit. Obwohl wir des nachts kaum miteinander gesprochen hatten, ihre Person noch immer von Geheimnissen umgeben zu sein schien und mich die Fremdartigkeit ihrer Vorlieben in einen Zustand nervöser Verwirrung versetzt hatte, fühlte ich eine Nähe zu Leonore Beaumont, die ich lange Zeit bei keinem anderen Menschen mehr verspürt hatte. Zudem fühlte ich mich schwach und erschöpft, und als ich den Versuch unternahm, aufzustehen, um ihr Kaffee aufzubrühen, ließ mich ein Anflug jähen Schwindelgefühls ins Bett zurückfallen. Für wenige Minuten verlor ich das Bewusstsein. Nach meinem Erwachen aus dieser Benommenheit sah ich mich einer bereits angekleideten Leonore Beaumont gegenüber, die neben mir auf dem Bett saß und mir eine Tasse dampfenden Kaffees reichte.
    »Du solltest dich ein wenig ausruhen«, riet sie mir. Ich nahm den Kaffee dankend entgegen und fühlte, wie mit den ersten heißen Schlucken das Leben in meinen Körper zurückkehrte. »Ich werde dich jetzt verlassen«, teilte sie mir mit. »Komm heute Abend ins Filthy McNasty’s. In den ersten Stock. Zimmer 237.« Das Bild, welches ich den gesamten folgenden Tag vor Augen hatte, war Leonore, wie sie in ihrem Herrenanzug neben mir auf dem Bett saß, das Hemd leicht aufgeknöpft und die Krawatte lose um den Hals geschlungen, und mir den Kaffee überreichte. Ich erinnerte mich an ihr zerzaustes Haar, die undurchdringbaren Katzenaugen und an das Lächeln, das sie mir zum Abschied schenkte.
    Als sie meine Wohnung verließ, sah ich ihr schläfrig nach. Ich hörte die schwere Eisentür hinter ihr ins Schloss fallen, und mit diesem Geräusch im Bewusstsein fiel ich in einen tiefen traumlosen Schlaf.
     
    Überflüssig zu erwähnen, dass ich Leonore an dem Abend einen Besuch abstattete. Es war, als würde mein Denken vollständig von der Sehnsucht nach ihrer Gegenwart verzehrt. Ich harrte der Küsse und dahingehauchten Bisse, die meine Nächte erfüllten und die folgenden Tage zu Stunden des Wartens degradierten. Es käme einer Lüge gleich zu behaupten, dass ich meine Gespielin während dieser Treffen näher kennenlernte. Sobald wir uns sahen, suchten wir den Kontakt ineinander

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