Nimmermehr
Ich konnte reiten, schwimmen, angeln, bergsteigen, sprach den bayerischen Dialekt und hatte unter den Bauernkindern der Nachbarschaft viele Freunde. Es war ein unbeschwertes und unschuldiges Leben. Ich spielte die Zither und dichtete eigene Verse und machte mir keine Gedanken um das, was vor mir liegen mochte.
Als dummes fünfzehnjähriges Landmädchen glaubte ich dann erstmals, mein Herz verloren zu haben. Er war ein junger Graf, der mich zuerst verzauberte und bald darauf verstarb, was mich in tiefen Liebeskummer stürzte. Die Folge dieser Melancholie war eine Reise nach Ischi, von der sich meine Mutter
Abwechslung für mich erhoffte. Der eigentliche Zweck der Reise jedoch war das Kuppeln gewesen. Die Schwester meiner Mutter, die österreichische Erzherzogin Sophie, suchte nach einer Partie für ihren Sohn, den jungen Kaiser. Wäre es zu einer Heirat zwischen ihm und meiner Schwester Helene gekommen, so hätte dies das Bündnis zwischen Bayern und dem Habsburgerreich gestärkt und zudem diesen Zweig der Witteisbacher aufgewertet. Außerdem sollte auch ein passabler Gatte für mich gefunden werden (meine Mutter hatte bereits des Kaisers jüngeren Bruder ins Auge gefasst).
Doch dann passierte etwas Unverhofftes.
Ja, Sie wissen es. Ahnen es. Ganz Europa weiß es heute.
Damals indes war es etwas höchst Unerwartetes.
Der junge Kaiser verliebte sich in mich.
Zumindest bewunderte er meine Natürlichkeit.
Ich sei frisch wie eine aufspringende Mandel, und welch herrliche Haarkrone mein Gesicht umrahme. Was ich für liebe, sanfte Augen habe und Lippen wie Erdbeeren. Das soll er seiner Mutter gegenüber geäußert haben. Wir saßen beim Tee zusammen, und ich bekam vor Aufregung nicht einen Bissen hinunter. Am nächsten Abend, dem Vorabend des kaiserlichen Geburtstages, fand ein Ball statt. Der Kaiser tanzte eine Polka mit mir. Später dann überreichte er mir sein Bukett – ein traditionelles Zeichen dafür, dass ich nun seine Auserwählte war. Nur wenige Stunden später, nach der mittäglichen Promenade des folgenden Tages, ließ der Kaiser über seine Mutter bei meiner Mutter nachfragen, ob eine Heirat in Aussicht gestellt werden könne.
Welch Frage!
Natürlich konnte sie das.
Einem Kaiser von Österreich gibt man keinen Korb. Das war meiner Mutter Meinung dazu.
Und der Kaiser erschien am folgenden Morgen um acht Uhr im Ischler Hotel, um mir erneut seine Liebe zu gestehen und um meine Hand anzuhalten. Unnötig zu erwähnen, dass ich einwilligte und dies in dem festen Glauben tat, den jungen gutaussehenden Mann, der in seiner eleganten Militäruniform vor mir kniete, zu lieben.
Dabei geschah alles so schnell.
Wie grauenhaft!
Liebesgeschichten zu lesen war den Mädchen der Wittelsbacher strengstens verboten gewesen, um unnötige gefühlsmäßige Verwirrung zu vermeiden. Wie hätte ich also ahnen können, welch widersinnige Einrichtung die Ehe ist. Als fünfzehnjähriges Kind wird man verkauft und tut einen Schwur, den man nicht versteht und dann dreißig Jahre oder länger bereut und nicht mehr lösen kann.
Wir verließen das Hotel und besuchten gemeinsam die Pfarrkirche, gefolgt von der Gemeinde und der anwesenden Aristokratie. In diesem Augenblick hätte ich ahnen müssen, wie abstoßend die Zuwendung der Öffentlichkeit war. Ich fühlte mich beobachtet und verlegen. Es war ein Gefühl, welches ich vorher so nicht gekannt hatte. Ich stand im Mittelpunkt und fürchtete mich vor dem, was auf mich zukommen würde. Der Kaiser indes erbat den Segen für sich und seine zukünftige Braut. Die Massen bejubelten uns, und es begann der »göttliche Ischler Séjour«, ein Fest, das über eine Woche andauerte.
Am 31. August des Jahres 1853 trennten sich unsere Wege im festlich geschmückten Salzburg. Der Kaiser kehrte nach Wien zurück. Und ich wurde in meiner Heimat auf die bevorstehende Hochzeit vorbereitet. In den kommenden Monaten versuchte man alles, was jahrelang in meiner Erziehung und Ausbildung versäumt worden war, nachzuholen. Man ließ mich Sprachen erlernen und vor allem die österreichische Geschichte studieren, lehrte mich Etikette und Ausdrucksweise.
Dennoch ahnte ich noch immer nicht, was mir längst Gewissheit hätte sein sollen. Dass mein altes Leben beendet und die Person, die ich bis zu jenem Zeitpunkt gewesen war, schon längst gestorben war.
Der Glanz der Kaiserhochzeit sollte die Massen verzaubern. Infolge einer Missernte gab es eine Hungersnot und wachsende Arbeitslosigkeit im Reich. Armut
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