Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Prinz Henri von Orléans, der Thronprätendent von Frankreich, nach Genf kommen würde. Der fünfundzwanzigjährige Anarchist reiste mit dem festen Vorsatz, seinen düsteren Mordplan in die Tat umzusetzen, nach Genf. Ich selbst reiste ebenso dorthin; offiziell, um der Baronin Rothschild einen Besuch abzustatten. Wir stiegen im Hotel »Beau Rivage« ab, und die Zeitungen berichteten darüber, ebenso wie über die verspätete Ankunft des französischen Prinzen. Lucheni erkor daher mich zu seinem nächsten Opfer
    (so hatte er die Reise wenigstens nicht umsonst unternommen). Alles entwickelte sich, wie Ida es vorausgesehen hatte.
    In Begleitung meiner Hofdame Irma Sztárays begab ich mich dann zur Mittagszeit zum Linienschiff, das uns von Genf nach Montreux bringen sollte. Die restliche Dienerschaft war mit dem Gepäck bereits vorausgeeilt. Ich erinnere mich noch gut an den Geruch des Sees, die frische Brise und das leise Plätschern der Wellen. Plötzlich stürzte sich der Italiener auf mich, und kurz darauf spürte ich einen stechenden Schmerz in der Brust. Er hatte sich gut verborgen, und so hatte uns seine Attacke vollständig überrascht. Mit einer geschliffenen Feile stach er mir mitten ins Herz und erfüllte somit seinen Daseinszweck. Anfänglich befürchtete ich, die Wunde könne nicht groß genug sein. Man gewahrte kein Blut, und wütend dachte ich, dass das wertlose Individuum seine Bestimmung verfehlt haben könnte. Meine Begleiterin indes dachte, dass dies ein missglückter Raubüberfall gewesen sei. Erst als das Schiff schon vom Ufer abgelegt hatte, wurde mir schwarz vor Augen. Ich sank zu Boden und dankte insgeheim der lieben Ida Ferenzcy für ihre Weitsicht. Luigi Lucheni hatte seine Aufgabe erfüllt. Die aufgeregten Stimmen, die um mich herum in der aufkommenden Dunkelheit immer lauter wurden, verblassten nach und nach. Ich dachte an Vathek und Ruthven in Griechenland und daran, dass ich bald mit ihnen vereint sein würde. Jammern und Klagen war zu hören, als den anderen Mitreisenden die Schwere der Verletzung bewusst wurde.
    Diese armen unwissenden Kreaturen!
    Welch schwarzer Tag dies für sie war.
    Mir hingegen schien es ein durchaus passender Moment zu sein.
    Wenn ich einmal sterben muss, so legt mich an das Meer. Diese Worte entstammen einem meiner selbst gedichteten Verse.
    Damals, vor der Begegnung mit Vathek, hatte ich immer gedacht, dass dies die See von Korfu sein würde. Doch hatte der Genfer See nicht ebenso die Farbe des Meeres? Hatte sich an diesem Tag nicht der Wunsch eines traurigen jungen Mädchens erfüllt?
    Das Urteil überlasse ich Ihnen.
     
    Es endete jedenfalls, wie berichtet wurde.
    Am 10. September des Jahres 1898 starb die letzte Kaiserin von Österreich durch die Hand eines unbedeutenden Anarchisten. Die Welt erfuhr davon und glaubte es. Nur das, meine Zuhörer, war von Bedeutung. Und ist es noch.

Prinzessin Parvati und der Elefantenkopfgott
    Einst lebte eine Prinzessin in einem prunkvollen Palast, und ihr Name war Prinzessin Parvati. Sie besaß ein Lachen, das sogar den Gesang der Vögel in den Bäumen an Anmut übertraf, und Augen, in denen jedermann nur Fröhlichkeit zu erkennen vermochte. Der Maharadscha und die Maharani liebten ihre einzige Tochter, und Prinzessin Parvati liebte den Maharadscha und die Maharani. Kein Leid hatte sie in ihrem jungen Leben gesehen, denn die Hässlichen und Kranken waren von den Wachen in unterirdische Verliese verbannt worden, auf dass ihr Anblick nicht die Straßen der prächtigen Stadt verunreinige und die Prinzessin nachdenklich stimme. So wuchs die Prinzessin heran, und ihre lachenden Augen sahen nur das Gute in der Welt.
     
    Eines Tages dann, als die Engländer das Königreich besuchten, da verliebte sich die Prinzessin in einen jungen Offizier namens William Atherton. Und der junge Offizier verliebte sich in Prinzessin Parvati, denn auch er war jung, und das Lachen der Prinzessin und ihre fröhlichen Augen verzauberten ihn auf der Stelle.
    Stunden um Stunden verbrachten die beiden miteinander (mit Erlaubnis des Maharadschas, versteht sich). Die Prinzessin erzählte dem Offizier die alten Geschichten der Hindus, und dieser lauschte ihren Worten, als seien sie süßer Honig. Und William erzählte der Prinzessin von einer Insel namens Irland und von langen Wintern und kurzen Sommern und dem Rauschen der See. Beide sahen schon schnell das Lachen in den Augen des anderen und wussten, dass ihrer beider Herzen füreinander schlugen.
     
    Dann

Weitere Kostenlose Bücher