Nimmerzwerg
Götter…“
Der Kapitän hob drohend seinen Haken und funkelte den Stein zornig an.
„Du sollst den Mund halten, oder ich öffne eine der Luken, und du bist schneller wieder Magma, als dir lieb ist.“
Der Stein, oder besser Wutrich Pilzgrimm, geriet ins Stottern. „Äh, ich, also die Götter… Die Götter sind der Ansicht…“
Schwartzbarth lächelte hämisch.
„Hör zu, du Kasperkiesel, wer immer du auch sein magst, ich rauche Gottkraut, weil es mir schmeckt, und nicht, weil ich mit meinen Ahnen sprechen will.“
Er wandte sich wieder dem Höchsten zu, der zusammenfuhr und sofort wieder auf die Knie sank. Im nächsten Augenblick war Schwartzbarth schon bei ihm und presste ihm seinen Haken unters Kinn.
„Glaubst du etwa, ich wüsste nicht, was ein Seelenstein ist?“, herrschte der Kapitän den Alten wütend an. „Denkst du, ich habe Kies unterm Helm? Ich glaube, ich werde dich Sprengstoff fressen lassen, dir eine Lunte in den Hintern stecken und dann meine Zunderbüchse herausholen!“
In diesem Moment meldete sich erneut der Seelenstein zu Wort: „Ich sehe schon. Du kennst dich aus. Nehmen wir also einmal an, ich bin nicht die Stimme des Magmas.“
Schwartzbarth knurrte leise, wobei einer seiner silbernen Zähne aufblitzte.
„Du sollst den Mund halten.“
Der Stein fuhr jedoch ungerührt fort: „Ja, das sagtest du bereits. Aber da wusstest du auch noch nicht, dass ich der Einzige bin, der dir etwas über das Ding dort auf dem Altar erzählen kann.“
Schwartzbarth stieß den Hohepriester unsanft von sich und trat mit dem Stein in der Hand an den Altar heran. Mit leuchtenden Augen betrachtete er das lederne Ding in der Vitrine. Seine Neugier war zurückgekehrt. Doch sie war nicht allein. Zu ihr hatte sich ein gesundes Misstrauen gesellt.
„Und warum, Stein, sollte ich dir glauben?“
Und in diesem Moment geschah es zum ersten Mal, dass ein Zwerg einen Stein schmunzeln hörte: „Weil ich, werter Schwartzbarth, es erschaffen habe…“
INTERMEZZO
Bereits zu Beginn der zweiten Schicht seiner provisorischen Herrschaft hatte Krugk Trümmerboldt zum Wohle der gesamten Zwergenheit die zwergische Zeitrechnung revolutioniert und die Schichten um zweihundert Schlag verlängert. Denn ein Zwerg, der mehr arbeitete, verdiente mehr Gold. Und ein Zwerg, der mehr Gold verdiente, zahlte mehr Steuern. Ebenso zum Wohle der Zwergenheit grübelte er außerdem über die Abschaffung des Feierabends nach.
Bevor er in dieser Angelegenheit jedoch zu einem endgültigen Entschluss gelangen konnte, heckte Krugk Trümmerboldt einen anderen Plan aus, um seine Herrschaft endgültig in Granit zu meißeln. Er würde Harrm Blutklump, den Wächter der Hohen Höhle aufsuchen, jener Höhle unterhalb des Schachtes, der zu den Göttern selbst hinaufführte. Wenn er dem Wächter allerdings tatsächlich gegenübertreten und ihn um seine Unterstützung ersuchen wollte, musste er zuvor so viel wie möglich über ihn in Erfahrung bringen. Das war klar wie Quarz.
Unterstützung war erfahrungsgemäß nichts, das sich aus einem Zwerg einfach herausprügeln ließ. Das nämlich wäre, da es sich dabei um sein Spezialgebiet handelte, einfach gewesen. In diesem Stollen war Trümmerboldt zu Hause. Doch um Harrm Blutklump davon zu überzeugen, ihm zu helfen, würde es mehr brauchen als ein paar Drohungen und einen flinken Hammer. Um den Wächter der Hohen Höhle türmte sich ein ganzer Steinbruch von Legenden und Gerüchten. Es hieß, er habe schon zu Lebzeiten die Hohe Höhle betreten, sei unsterblich und vermöge außerdem an verschiedenen Orten gleichzeitig zu sein. Selbst einen Zwerg wie Trümmerboldt, der es, ohne zu zögern, unbewaffnet mit einem Dutzend Schürfbrüdern aufgenommen und seinen Bart unversehrt aus der Höhle eines Erzgiftlings { * } gezogen hätte, machten solche Gerüchte unsicher.
Harrm Blutklump war ein Mysterium.
Und Trümmerboldt hatte noch nie ein Mysterium bedroht.
Seit Urzeiten bewachte dieser Zwerg die einzige Verbindung des Ehernen Imperiums mit jener Höhle, in der die Gottzwerge hausten.
Krugk Trümmerboldt verstand nicht viel von Religion.
Obwohl es seinen Grund hatte, warum er nie Schutzgold von Priestern erpresst hatte.
Der nämlich lag darin, dass er die Götter nicht einschätzen konnte. Wenn er auch nur die geringste Chance gesehen hätte, ihnen Furcht einzuflößen, dann hätte er sich wohl selbst noch mit den Göttern angelegt. Womöglich aber war dies die Gelegenheit, mehr
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