Nimue Alban 10 - Der Verrat
seine Beine hinab. Die Schuhe sehen aber ziemlich dreckig und seltsam mitgenommen aus, ging es dem Schichtführer durch den Kopf. »Ich dachte, es wäre einfacher, meine Stiefel gleich im Büro zu lassen, und die hier hatte ich noch in der Schublade «, erklärte der Captain. Der Schichtführer nickte.
»Sehr wohl, Sir. Wünschen Sie Begleitung? «
»Nun, ich bin wohl mit der Anlage hinreichend vertraut «, gab Sahlavahn trocken zurück.
»Selbstverständlich, Sir! Ich habe doch nicht andeuten wollen …«
»Nur keine Sorge, Lieutenant! « Sahlavahn tätschelte ihm leicht den Arm. »Das war mir durchaus klar. «
»Danke, Sir. «
Respektvoll erhob sich der Schichtführer, um Sahlavahn aus seinem Büroraum zu geleiten. Dann führte er den Ca p tain in den Vorraum und wartete, bis Sahlavahn ihn verla s sen hatte. Sofort drehte er sich zu einem seiner Schreiber um. Wie jeder, der in der eigentlichen Pulvermühle arbeitete, trug auch dieser Schreiber die obligatorischen Filzschuhe. Hastig deutete der Schichtführer in die Richtung, in die der Captain gerade aufgebrochen war.
»Rasch, Pahrkyr! Huschen Sie durch einen der Seitengä n ge und warnen Sie Lieutenant Mahrstahn vor, dass Captain Sahlavahn auf dem Weg zu ihm ist! «
»Jawohl, Sir! «
Eilends verließ der Schreiber den Vorraum. Der Schich t führer kehrte in sein eigenes Büro zurück und fragte sich, was wohl in dem Kopf des Alten vorgehen mochte. Es pas s te überhaupt nicht zu dem stets effizienten, bestens organ i sierten Captain Sahlavahn, einfach so unangekündigt vorbe i zuschauen.
Der Schichtführer ließ sich gerade wieder auf seinen Schreibtischstuhl sinken, als es geschah. Er, seine Schreiber, Captain Sahlavanhn und die einhundertdrei anderen Männer, die gerade in Pulvermühle Nr. 3 Dienst taten, kamen in e i nem gewaltigen Feuerball ums Leben. Wie Langhornes R a kurai rollte eine ganze Kette von Detonationen durch die Pu l vermühle und ließ jede einzelne Fensterscheibe in ganz Ha i ratha klirren. Der Hügel schleuderte dem Himmel Feuer und Trümmer entgegen. Lodernd stiegen sie höher und höher, g e folgt von geradezu obszön anmutigen Rauchfahnen. Dann stürzten die Trümmer wieder in die Tiefe und brachten dabei erneut Feuer und Verderben. Wie Artilleriebombardement zerschmetterte der Glutregen Baracken und Verwaltungsg e bäude, entfachte neue Brände, verstümmelte und tötete Me n schen. Schreie waren zu hören; ungläubig starrte man auf den Herd dieser Katastrophe. Schließlich wurde Alarm g e geben, und die Männer, die sich zuvor nur wie betäubt u m geschaut hatten, rannten geradewegs in die Flammen und das Chaos hinein, um ihren Kameraden das Leben zu retten.
Elf Minuten später explodierten auch die Pulverkammern sechs, sieben und acht.
»Keine besseren Neuigkeiten, oder? « Cayleb Ahrmahks Stimme klang hart und tonlos. Prinz Nahrmahn schüttelte den Kopf.
Die beiden saßen in einem kleinen Wohnraum, unmitte l bar neben dem Saal, den Caylebs Großvater einst zu einer Bibliothek hatte ausbauen lassen. König Haarahld hatte sie während seiner Regierungszeit großzügig erweitert. Seitdem war sie viel zu groß geworden, um weiterhin an ihrem u r sprünglichen Ort untergebracht zu bleiben. Deswegen hatte man sie in neue Räumlichkeiten verlegt. Die alte Bibliothek hatte Cayleb zu einem Arbeitszimmer umfunktioniert, das praktischerweise ganz in der Nähe der Kaiserlichen Gem ä cher lag. Nun saßen Nahrmahn und er beisammen, blickten durch die Fenster in der Nordwand des Saals und schauten über das Ufer und die blauen Wellen der Howell Bay hinweg in Richtung Big Tirian. Natürlich konnten sie die Insel nicht ausmachen. Schließlich war Big Tirian beinahe sechshundert Meilen weit entfernt. Doch sie beiden betrachteten das Bildmaterial, das ihnen von Owls SNARCs übermittelt wu r de.
»Bessere Neuigkeiten sind wohl kaum zu erwarten «, erwiderte Nahrmahn leise und betrachtete den zerklüfteten, rauchenden Krater und die völlig zerstörten Gebäude in seiner Umgebung. Einst hatte sich dort die größte und wichtig s te Pulvermühle des Kaiserreichs befunden. Traurig schüttelte Nahrmahn den Kopf. »Ich denke, uns bleibt nichts anderes übrig, als die Toten zu begraben und noch einmal ganz von vorn anzufangen. «
»Ich weiß. « Es war offenkundig, dass die beachtlichen Kosten eines Wiederaufbaus im Augenblick die Geringste von Caylebs Sorgen war. »Nur …« Er schüttelte den Kopf, und die Bewegung fiel abgehackter und
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