Nimue Alban 10 - Der Verrat
einfachere Adelige) verlangten. Nicht, dass Rayjhis Yowance etwas dagegen ha t te, wie Cayleb und Sharleyan miteinander umgingen – nur wenn er versuchte, sich die Zukunft auszumalen, machte er sich hin und wieder Sorgen. Schließlich begründeten die beiden mit ihrem Verhalten ja auch neue Traditionen. Cayleb und Sharleyan hatten die Willenskraft, die Fähigkeit und das Selbstbewusstsein – und auch die erforderliche Ausstra h lung, um mit ihren Rollen und ihren Pflichten zurechtz u kommen, ohne Zuflucht in strikt reglementierten, altherg e brachten Formalitäten suchen zu müssen. Aber was würde geschehen, wenn das Reich eines Tages von jemandem r e giert würde, der all diese wunderbaren Eigenschaften nicht besäße? Von jemandem, der nicht gemeinsam mit seinen Ratgebern in schallendes Gelächter ausbrechen konnte, ohne dabei an Autorität einzubüßen? Von einem König, der eben nicht selbstbewusst genug war, seine Gemahlin auch in aller Öffentlichkeit einfach fortzutragen, der nicht selbst bei förmlichen Reden vor dem Parlament Witze auf eigene Ko s ten machen konnte? Oder von einer Königin, die sich nicht einfach forttragen ließe, ohne dabei empfindlich an Würde zu verlieren? Was war mit einem Regenten, dem es an genau dem Pflichtbewusstsein gebrach, das den Unterschied au s machte, den es zwischen ungezwungenem Humor zum A b bau von Anspannung einerseits und oberflächlicher Leich t fertigkeit andererseits gab?
Ein Königreich konnte sich glücklich schätzen, in einem Jahrhundert einen einzigen Monarchen von Caylebs oder Sharleyans Kaliber zu erleben. Kein Reich konnte sich d a rauf verlassen, zwei von dieser Sorte gleichzeitig zu haben … geschweige denn, es auch noch zu schaffen, einen Nac h folger heranzuziehen, der in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten vermochte. Ja, so sehr Gray Harbor die kleine Kro n prinzessin liebte, bislang hatte er die Erfahrung gemacht, dass die Kinder jener gewaltigen Regenten, deren Leistu n gen in allen Geschichtsbüchern beschrieben wurden, nur allzu leicht im Schatten ihrer Eltern verkümmerten. Welche Seele wäre robust genug, im Schatten derartiger Regenten zu stehen, ohne sich angesichts der Erwartungen der Untertanen jener Regenten klein und unbedeutend zu fühlen oder gar zornig zu werden? Kein Wunder, dass die Erben so vieler großer Königinnen und Könige ihr Leben ganz den Sinne s freuden und damit letztlich der Selbstzerstörung gewidmet hatten!
Wer sich in Zeiten wie diesen um so etwas Sorgen macht, muss Optimist sein, was den Ausgang dieses netten kleinen Krieges angeht, in dem wir gerade stecken!, sagte Yowance trocken zu sich selbst. Oder doch Pessimist: Alahnah ist g e rade erst ein Jahr alt geworden. Und sich da schon darum sorgen, welche rauschhaften Orgien sie im Palast feiern könnte, sobald ihre Eltern einmal nicht mehr sind? Und wie nach Cayleb und Sharleyan das ganze Kaiserreich zerbr e chen könnte? Keiner der beiden ist auch nur dreißig Jahre alt, bei Langhorne! Ist ja nun wirklich nicht so, als würde ich selbst das alles noch miterleben!
Nein, das wohl nicht – je nachdem, wie Gott es für ihn vorgesehen hatte. Aber es war die Aufgabe eines Ersten Ratgebers, sich um derlei Dinge zu sorgen. Abgesehen d a von hatte er sich nach Kräften bemüht, ein wenig Abstand zu wahren und immer das große Ganze im Auge zu behalten. Es war nur allzu leicht, sich ganz von den alltäglichen Sorgen vereinnahmen zu lassen, die ein so mächtiger Gegner wie die Kirche des Verheißenen einem bescherte. Das aber konnte dazu führen, dass man den Überblick erst recht verlor und plötzlich unschöne Überraschungen erlebte.
Genau das hält mich ja auch davon ab, an das zu denken, was ich ihnen zu berichten habe – am ersten Tag, den sie seit fast fünf Monaten gemeinsam verleben durften, nicht wahr?, gestand er sich selbst grimmig ein.
Cayleb setzte sich gerade auf seinen Platz und legte die gefalteten Hände vor sich auf den Tisch. Er blickte zu Ma i kel Staynair hinüber, der ihm am Fußende des Tisches g e genübersaß.
»Maikel? «
»Selbstverständlich, Euer Majestät. « Kurz blickte sich Staynair am Tisch um, dann senkte er den Kopf. »Oh Herr, Schöpfer und Bewahrer des Universums, der Du alle guten Dinge hervorgebracht hast, Du unser liebevoller Schöpfer und Vater, segne diese Deine Diener Cayleb und Sharleyan und all jene, die ihnen zur Seite stehen und sie beraten! Lass uns alle Deine Stimme hören und sorge dafür, dass wir uns von
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