Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
destabilisieren könnte. Vielleicht reist ja Erzbischof Maikel nach Manchyr, aber wir zwei auf gar keinen Fall!
Irys verstand, warum eine solche Entscheidung des Kaiserpaars unausweichlich war. Sie selbst hätte keine andere getroffen, und das, obwohl sie auch so freundlich wie die beiden mit besiegten Feinden umzugehen wünschte. Außerdem würde Daivyn viel lieber wenigstens noch einige Monate lang ein kleiner Junge sein. Sicher wollte er nicht schon so jung in die Rolle des Regenten gedrängt werden, auf Wohl und Wehe einem Regentschaftsrat ausgeliefert. Trotzdem tat es weh, nicht in die Heimat zurückkehren zu können.
Ja, vielleicht. Aber wenigstens sind wir beide zusammen und am Leben . Chisholm ist zumindest der Heimat schon näher. Vielleicht werde ich mich dort nicht ganz so einsam fühlen wie in Delferahk.
»Danke für die Vorwarnung, Eure Eminenz«, sagte sie schließlich. »Wisst Ihr schon, wann wir aufbrechen werden?«
»Noch nicht genau, Eure Hoheit. Erst müssen noch einige Details geklärt werden. Lady Hanths Reisepläne zum Beispiel.«
»Lady Hanth? Lady Mairah kommt auch mit?« Irys bemerkte selbst, wie glücklich und erleichtert sie klang. Staynair lächelte.
»Ja. Zumindest lautet so im Augenblick der Plan. Kaiser Cayleb hat Graf Hanth wieder in den aktiven Dienst berufen – Ihr wisst, dass er den Marineinfanteristen angehört hat, bevor er zum Grafen erhoben wurde, oder nicht?« Der Erzbischof wartete ab, bis Irys bestätigend nickte, dann zuckte er die Achseln. »Nun ja, anscheinend sind Ihre Majestäten zu dem Schluss gekommen, seine Dienste könnten dem Reich in der Siddarmark nützlich sein. Offen gesagt wird das Kaiserreich während des Sommerfeldzugs jeden erfahrenen Marine benötigen, den es nur bekommen kann. Und da Lady Hanths Gemahl somit ohnehin das Alte Königreich verlassen muss, möchte sie zusammen mit ihren Stiefsöhnen die Eltern und den Vetter besuchen, Baron Green Mountain.« Mit einem Mal wirkte der Erzbischof traurig. »Sie wird vielleicht keine weitere Gelegenheit mehr dafür bekommen.«
Verständnisvoll nickte Irys. Bei einem der Terroranschläge, zu denen es überall im Kaiserreich gekommen war, hatte Mahrak Sahndyrs, Kaiserin Sharleyans Erster Ratgeber in Chisholm, schwerste Verletzungen davongetragen. Die Aufgaben eines Ersten Ratgebers konnte Baron Green Mountain nicht mehr erfüllen. Deswegen hatte Braisyn Byrns, Graf White Crag, bisher Sharleyans Lordrichter, ihn im Amt abgelöst. Lordrichter war seither Sylvyst Mhardyr, seines Zeichens Baron Stoneheart. Seinerzeit hatten sich Phylyp Ahzgood und Irys darüber amüsiert, dass ausgerechnet der oberste Richter eines Königreichs dank seines Adelstitels den Spitznamen ›Der Richter mit dem steinernen Herzen‹ trug. Aber Mhardyr war eigentlich genau der Richtige für diese Aufgabe: Er war hochintelligent und sehr mitfühlend, ein Menschenfreund. Zudem war er bestens mit den Gesetzen vertraut und hatte mehr als zwanzig Jahre Erfahrung auf dem Richterstuhl.
»Mir war nicht bewusst, dass Baron Green Mountain derart schwer verletzt wurde«, bemerkte Irys nun.
»Nun ja, bei der Überwindung großer Entfernungen werden Berichte nur allzu häufig unverständlich oder hoffnungslos übertrieben. Es ist durchaus möglich, dass wir uns übermäßig Sorgen machen. Aber der Gesundheitszustand des Barons ist einer der Gründe dafür, dass die Kaiserin so rasch wie möglich nach Chisholm aufbrechen will.« Nun lächelte Staynair wieder, doch noch immer stand Trauer in seinem Blick. »Trotzdem glaube ich nicht, dass sie diese Reise anträte, verließe nicht auch Cayleb Tellesberg. Dass sie so lange Zeit getrennt voneinander bleiben müssen, damit das Kaiserreich funktionstüchtig bleibt, ist für beide eine schwere Bürde. Man erlebt nicht oft, dass aus einer Staatsheirat Liebe erwächst, wie man es uns in Kinderbüchern und Märchen so gern erzählt. Aber in diesem Fall ist genau das geschehen.«
Wieder nickte Irys. Sie hatte das Kaiserpaar mittlerweile oft genug zusammen erlebt, um zu wissen, dass Staynair die Wahrheit sagte. Jeder in Charis schien das zu wissen. Mittlerweile war Irys gar zu dem Schluss gekommen, die tiefe Liebe, die Kaiser und Kaiserin nicht nur füreinander empfanden, sondern auch öffentlich zeigten, trage immens zu dem Zauber bei, der ihre Untertanen so unerschütterlich an sie band. Den Mythos um die beiden befeuerte zudem, dass Sharleyan aus freien Stücken aus dem weit entfernten Chisholm hierher
Weitere Kostenlose Bücher