Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
er haben, was die Erziehung von Euch und Eurem jüngeren Bruder betrifft, ganz offensichtlich als Eltern nicht alles falsch gemacht.«
»Schmeicheleien werden Euch bei mir nicht weiterhelfen, Eure Eminenz«, versetzte Irys leichthin und versuchte so zu überspielen, wie sehr sie Staynairs letzter Satz gerührt hatte. »Vater mag meinen Waffenträgern ja nicht erlaubt haben, mich im Baseball zu besiegen. Aber er hat sehr viel Wert darauf gelegt, mich begreifen zu lassen, wie gefährlich honigsüße Worte sein können.«
»Dessen bin ich mir ganz sicher. Und wäre es anders gewesen, hätte Graf Coris diesen Makel gewiss schon vor langer Zeit wettgemacht«, sagte der Erzbischof so knochentrocken, dass Irys leise auflachte. Dann wandte sich Staynair ihr erneut zu, und nun war seine Miene deutlich ernster.
»Ich muss gestehen, Eure Hoheit, dass ich mich nicht nur zu Euch auf den Balkon gesellt habe, um gemeinsam mit Euch Sonne und Wind zu genießen. Ich habe gerade eine Nachricht aus dem Palast erhalten. Sie betrifft Daivyn und Euch.«
»Wirklich?« Kurz spürte Irys einen Stich Besorgnis, ließ sich das jedoch nicht anmerken. Ruhig erwiderte sie den Blick des Erzbischofs.
»Ja, wirklich«, erwiderte er. »Nun, auf der Basis des Ehevertrags von Cayleb und Sharleyan wurde, wie Ihr sicher wissen dürftet, nicht nur ein gemeinsames Kaiserliches Parlament begründet. Dort wurde auch festgelegt, dass die Regierung jeweils die Hälfte eines Jahres in Tellesberg zu verbringen hat, die andere Hälfte in Chisholm – abzüglich der Reisezeit, natürlich.«
Fragend hob er eine Augenbraue, und Irys nickte.
»Nun, leider ist der Zeitplan ein wenig durcheinander geraten.« Staynair verzog das Gesicht. »Erst war da diese Sache im Golf von Tarot. Dann musste man Daivyn, Euch und Graf Coris aus Delferahk holen und in Sicherheit bringen. Und jetzt ist da noch das Problem mit der Siddarmark. Deswegen war Cayleb schon fast ein ganzes Jahr hier in Tellesberg, und auch Sharleyan residiert nun schon beinahe acht Monate hier. Eigentlich hätten sie schon vor vier Monaten nach Chisholm aufbrechen müssen! Natürlich hat man dort vollstes Verständnis dafür, dass es bislang noch nicht geschehen ist. Aber jetzt kann das Kaiserpaar den Aufbruch unmöglich noch länger aufschieben. Besser gesagt: Sharleyan kann es nicht. Innerhalb der nächsten Fünftage wird sie nach Chisholm abreisen. Und auch Cayleb wird in See stechen: Er muss sich mit Herzog Eastshare absprechen und vielleicht sogar mit Reichsverweser Greyghor persönlich eine Unterredung führen. Auf jeden Fall wird keiner der beiden noch lange in Tellesberg bleiben. Deswegen wurde beschlossen, Daivyn und Ihr solltet Kaiserin Sharleyan auf ihrer Reise begleiten.«
Irys’ Augen weiteten sich.
»Aber … vergebt mir, Eure Eminenz, aber ich dachte, man hätte Daivyn und mich in Eure Obhut gegeben.«
»Dem ist auch so.« Sanft tätschelte er die Hand, die immer noch auf seinem Arm lag. »Aber auch ich werde die Kaiserin begleiten. Das ist ein weiterer Unterschied der Kirche von Charis zur Kirche der ›Vierer-Gruppe‹: Der Erzbischof besucht die einzelnen Staaten, aus denen sich das Kaiserreich zusammensetzt, statt wie ein Fürst hier in Tellesberg zu residieren und zu verlangen, dass alle Prälaten ihn aufsuchen, um ihm ihre Reverenz zu erweisen. Bislang haben wir zwar noch keinen festen Zeitplan für meine Gemeindebesuche aufgestellt, aber ich hinke auf jeden Fall schon jetzt gewaltig hinterher. Deswegen nutze ich die Gelegenheit und reise zusammen mit Daivyn und Euch zumindest bis nach Cherayth. Vor dort aus geht es weiter nach Zebediah und Corisande, bevor ich wieder in die Heimat zurückkehre – und das wahrscheinlich über Tarot. Ich denke, damit werde ich fast ein Jahr lang unterwegs sein. Aber Euer Bruder und Ihr werdet Euch immer noch in meiner Obhut befinden und unter meinem Schutz stehen.«
Irys’ Herz machte einen Satz, als der Erzbischof von Tellesberg so beiläufig Corisande erwähnte. Doch sie bemühte sich – beinahe sogar erfolgreich –, sich das nicht anmerken zu lassen. Ob man Daivyn und ihr wohl gestatten würde …
Mach dich doch nicht lächerlich! , beschimpfte sie sich im Stillen. Ja, der Erzbischof und auch Cayleb und Sharleyan haben uns deutlich freundlicher behandelt, als zu erwarten war. Aber in die Heimat zurückkehren lassen werden sie uns nicht. Nicht, solange sie nicht sicher sind, dass wir nichts unternehmen, was ihre Herrschaft …
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