Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Sattel sitzt er im Augenblick nicht. Sie wissen natürlich auch, wie viel Erfolge die Reformisten verbuchen konnten, seit Staynair nach Corisande gekommen ist – und noch mehr, nachdem Sharleyan hier war! Ich vertraue ganz darauf, dass Klairmant uns den besten Ratschlag erteilen wird, den er zu bieten hat. Aber, ehrlich gesagt, geht es hier doch eher um eine politische Entscheidung, nicht um eine religiöse Angelegenheit. Ach, natürlich hat das Ganze genügend religiöse Auswirkungen – sogar genug, um eine ganze Galeone damit zu versenken! Aber die eigentliche Entscheidung obliegt dem Regentschaftsrat, und dem gehört Klairmant nun einmal nicht an – und das gerade, damit die Kirche in derlei Entscheidungen eben nicht verwickelt wird! Vermutlich wird das Volk verunsichert reagieren, dass sich Daivyn nun in charisianischer Obhut befindet. Das wirft unweigerlich viele neue Fragen auf, ganz egal, wie Daivyn denn nun eigentlich in diese Obhut gelangt ist. Und das wiederum wird sich auf den Waffenstillstand auswirken, den Klairmant derzeit noch zwischen den Reformisten und den Tempelgetreuen aufrechterhalten kann. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn er wahrheitsgemäß erklären könnte, man habe ihn nicht im Vorfeld über Entscheidungen informiert, die wir und der Rest des Regentschaftsrats möglicherweise treffen.«
»Hmm, stimmt«, räumte Anvil Rock nach kurzem Schweigen nachdenklich ein. »Doch, ja! Ich habe schon nach Koryn und Charlz geschickt. Aber die beiden befinden sich im Augenblick auf einer Gefechtsübung. Bis sie hier eintreffen, wird es noch eine Weile dauern. Während wir warten, würde ich gern hören, wie Sie persönlich über die Lage denken.«
»Also gut.«
Tartarian erhob sich aus seinem Sessel, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und trat an eines der Fenster des Ratssaals. Nachdenklich ließ er einige Sekunden lang den Blick über den sonnendurchfluteten Hof des Palastes schweifen. Schließlich wandte er sich wieder seinem Freund und Ratskollegen zu.
»Wir werden sehr vorsichtig vorgehen müssen«, sagte er. »Wenn wir uns nicht darum bemühen, dass Daivyn auf corisandianischen Boden zurückkehrt, wird das nur Wasser auf die Mühlen aller anti-charisianisch eingestellten Hitzköpfe sein. Von denen gibt es weiß Langhorne immer noch mehr als genug – selbst noch nach Sharleyans Besuch hier. Nun dürften Ihre Majestäten den Prinzen und seine Schwester nur nach reiflicher Überlegung und unter Auflagen wieder in die Heimat zurückkehren lassen. Wie viel Handlungsspielraum etwa dürfen Daivyn und sein Regentschaftsrat nach einer Rückkehr des Prinzen haben? Den Prinzen zu ihrer Marionette in Corisande zu machen könnte für Charis alle möglichen Nachteile haben – darunter natürlich auch, dass damit die Charis-Gegner bestärkt würden! Aber es wäre andererseits sehr töricht von den beiden, ihn hierher zurückkehren zu lassen, ohne ihm zumindest einige Beschränkungen aufzuerlegen. Wenn sie sich allerdings seine Rückkehr verweigern , selbst wenn wir das mit Nachdruck fordern, könnten die Folgen noch schlimmer ausfallen. Dann wird der Teil des Volkes, der ihnen und ihren Lakaien – also uns, Rysel! – aus tiefstem Herzen misstraut, lautstark erklären, in Wirklichkeit habe das charisianische Kaiserpaar den Prinzen und Irys überhaupt nicht gerettet – ganz egal, was ein gewisser korrupter, ruchloser Spion namens Coris oder die anderen charisianischen Lakaien hier in Manchyr behaupten mögen. Vielmehr habe der finstere Seijin Merlin sie zusammen mit seinen Agenten entführt . Er habe sie der sicheren Obhut ihres Verwandten entrissen, und das einzig und allein zu dem Zweck, damit die Krone von Charis die armen Kinder hier in Corisande als Druckmittel nutzen könne!«
»Genau das wird Clyntahn verkünden lassen, unabhängig davon, was wir tun«, gab Anvil Rock zu bedenken.
»Über dieses Arschloch mache ich mir deutlich weniger Gedanken als über Corisandes Volk.« Tartarians Tonfall war sehr rau, sein Blick eiskalt. »Als Clyntahn seinen gottverdammten Rakurai nach Corisande gebracht und das achthundert Opfer allein hier in Manchyr gefordert hat, bin ich endgültig zu dem Schluss gekommen, auf welcher Seite ich stehe, was die Kirche betrifft! Und tun Sie doch bitte nicht so, als ginge es Ihnen anders! Ich weiß das – und Koryn hängt den Reformisten noch viel mehr an als Sie!«
Anvil Rock erwiderte seinen Blick, sagte aber kein Wort. Mehrere Herzschläge lang hing das
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