Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Unwillkürlich musste Sahmantha an einen Vogel denken, der einen besonders schmackhaften Wurm begutachtete. »Da es Sahmantha nicht weitergeholfen hat, obwohl sie mich schon viele Jahre länger kennt als Sie, junger Byrk, sollten Sie vielleicht Ihre Kräfte für Lohnenderes aufsparen.«
»Eure Eminenz«, setzte Raimahn an und schlug dann die Hände über dem Kopf zusammen. »Ich gebe auf!«, ließ er die Bergwände wissen. »Dieser Mann ist ganz offensichtlich nicht nur nicht ganz richtig im Kopf, sondern gefährlich!«
»Ich versichere Ihnen, ich stelle für niemanden eine Gefahr dar«, erwiderte Cahnyr lächelnd und biss dabei die Zähne zusammen, damit sie nicht in der scharfen, eisigen Brise klapperten.
»Sie meinen, Sie stellen für niemand anderen eine Gefahr dar«, korrigierte ihn Raimahn grimmig. »Aber auch das stimmt nicht, Eure Eminenz!« Anklagend wies er mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf den Erzbischof. »Solange Sie hier sind, muss ich stets eine Eskorte für Sie abstellen! Und Sie wissen ganz genau: Wenn es auch nur danach aussieht, als könnte Ihnen etwas widerfahren, wird diese Eskorte sich sofort zwischen Sie und die drohende Gefahr werfen. Wenn das geschieht, hoffe ich, Sie werden immer noch der Ansicht sein, Ihr unsinniger Ausflug sei es wert gewesen, Eure Eminenz!«
Dieser Tiefschlag brachte Cahnyr dazu, gequält das Gesicht zu verziehen – was Raimahn mit einer gewissen Befriedigung zur Kenntnis nahm. Trotzdem glaubte er nicht, den Erzbischof dazu bewegen zu können, in Sicherheit zu bleiben. Wenigstens hatte er endlich ein Argument gefunden, das den verrückten alten Gottesmann dazu brachte, etwas vorsichtiger zu sein.
»Ich versichere Ihnen, ich werde so vorsichtig sein wie eben möglich«, erwiderte Cahnyr nach kurzem Nachdenken. »Und ich verspreche Ihnen sogar, jede Anweisung zu befolgen, die besagte Eskorte mir erteilen mag.«
»Und Sie werden auch Madame Gorjah mitnehmen, nur für den Notfall.«
»Nein, das werde ich nicht!«, widersprach Cahnyr fest. »Es gibt überhaupt keinen Grund, Sahmantha zu gestatten, sich in Gefahr zu begeben. Selbst wenn man alles andere außer Acht lässt, ist sie dafür entschieden zu wichtig – vor allem, wenn man bedenkt, dass sich Pater Fhranklyn kaum bewegen kann.«
Während eines entsetzlichen Schneesturms, von dem alle gehofft hatten, er wäre der Letzte dieser Art in jenem furchtbaren Winter, hatte sich Fhranklyn Haine Erfrierungen zugezogen. Er hatte versucht, die Blinddarmentzündung einer halb erfrorenen Mutter zu kurieren. Dass er bei diesem Versuch beinahe sämtliche Zehen und die Hälfte seines linken Fußes verloren hatte, schmerzte ihn ungleich weniger, als dass seine Patientin letztendlich doch gestorben war. Wegen der Erfrierungen war er gezwungen gewesen, sich in ein Spital in Green Cove zurückzuziehen, einhundert Meilen südlich der Überreste von Brahdwyns Torheit. Das Spital allerdings verdiente diesen Namen nicht. Besser wäre gewesen, er wäre in das noch zweihundertfünfzig Meilen weiter entfernte, aber dafür anständige Hospital in Tairys, der Hauptstadt der Provinz, transportiert worden. Aber der Pasqualat hatte sich zur Wehr gesetzt und mit Nachdruck darauf hingewiesen, an seinen Händen sei schließlich nicht das Geringste auszusetzen. Er benötige lediglich jemanden, der seinen Rollstuhl von einem Patienten zum nächsten schiebe. Fast ständig hatte er dabei das eine oder andere heimatlose Waisenkind auf seinem Schoß, das ihn mit großen Augen anschaute. Wenigstens hin und wieder brachte er diese Kinder zum Lachen, wenn er in seinem Rollstuhl mit halsbrecherischer Geschwindigkeit die überfüllten Gänge des Spitals von Green Cove hinabsauste und dabei lautstark verlangte, man möge ihm Platz machen. Warum, so fand Canyr, sollte er, der noch laufen konnte, dann nicht seine Pflicht tun?
»In meiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der Einheiten, die der Reichsverweser und Madame Pahrsahn ausgeschickt haben, um diesen Pass gegen Eindringlinge zu verteidigen, erlaube ich mir, Ihnen mit Nachdruck zu widersprechen, Eure Eminenz«, versetzte Raimahn tonlos. »Sie scheinen nicht so recht zu begreifen, wie entscheidend Sie bei der Verteidigung der Provinz sind! Wir anderen wissen es besser. Deswegen werden wir auch nicht zulassen, dass Sie Risiken eingehen, die sich vermeiden ließen. Mit anderen Worten …« Er blickte dem Erzbischof fest in die Augen. »Wenn wir Sie schon nicht davon abhalten können, etwas Törichtes
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