Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Randstaaten-Akzent gingen dem Mann aus den Bergen entsetzlich auf die Nerven. Fyrmahn war ein treuer Sohn von Mutter Kirche. Die Ketzer, die ihre Seelen Shan-wei verkauft hatten, hasste er mehr als jeder andere. Bei Tailyrs Akzent aber kam ihm sofort die Jahrhunderte alte Feindschaft zwischen der Siddarmark und den Randstaaten in den Sinn.
Trotzdem war Fyrmahn über die Ankunft des Offiziers und seiner dreihundert Mann starken Freiwilligen-Einheit froh gewesen. Von der Provinz Westmarch aus hatte sich die Einheit bis hierher durch den Schnee gekämpft, um zu Pater Failyx und seinen Männern zu stoßen. Netter wäre es natürlich gewesen, hätten sie Nahrungsmittel mitgebracht, statt einfach nur dreihundert hungrige Mäuler mehr zu sein, die es nun zu stopfen galt. Erfreulicherweise beklagten sich die Tiefländer deutlich weniger über die kümmerlichen Rationen, als Fyrmahn von verweichlichten Städtern erwartet hatte. Dazu kam, dass Tailyr ein erfahrener Offizier der Tempelgarde war. Gut, auch die Art der Gefechtsführung, auf die seine Leute und er gedrillt waren, die offene Feldschlacht nämlich, war nichts für das Terrain hier. Dafür jedoch waren die Westmarcher ein weithin sichtbarer Beweis für die Unterstützung durch Mutter Kirche, die Fyrmahns Clan erfuhr. Es war tatsächlich gut, nun eine kleine, disziplinierte und bestens bewaffnete Infanterie zur Verfügung zu haben, ging man gegen die Ketzer vor.
Fünfzig Mann der Freiwilligen-Einheit hatte Fyrmahn mitgenommen. Das war für den Fall geschehen, dass er sie zum Brechen des Widerstands brauchte, den er in Brahdwyns Torheit erwartete. Jetzt hatte er einen neuen Verwendungszweck für sie gefunden. Stetig stapften sie den Bergpfad empor, folgten der Vorhut, die aus zwanzig Clansmännern bestand.
Ghadwyn hatte die Führung; er ging fünfzig Schritt vor seinen Kameraden. Damit waren sie ihm nahe genug, um ihm mit ihren Armbrüsten Feuerschutz zu bieten. Gleichzeitig reichte die Distanz, um nicht geradewegs in eine Falle hineinzutappen, die Fyrmahn dann vielleicht die gesamte Patrouille und den ganzen Rest seiner Männer kostete. Eigentlich passte es ihm gar nicht, seine Leute so weit vorauszuschicken. Aber seine Bergbewohner waren dafür ganz offensichtlich besser geeignet als Tailyrs Tiefländer. Eine Vorhut aber brauchte er, und selbst wenn er …
KRAAACCCHHH!
Samyl Ghadwyn hörte den Knall nicht mehr, der zigfach verstärkt von allen Wänden des Tals widerhallte und zahllose Vögel und Wyvern kreischend auffliegen ließ. Das Teilmantelgeschoss Kaliber 0.48 war ein wenig kleiner als die üblichen charisianischen Gewehrkugeln. Doch es traf Ghadwyn mit genug Energie geradewegs in den Hals, um ihm beinahe den Kopf abzureißen. Abgefeuert von hinten und aus beachtlicher Höhe, traf es ihn wie ein Vorschlaghammer. Ghadwyns Leiche stürzte vornüber und landete auf dem Pfad. Ein Arm hing schlaff über die Kante der Felswand, die dort steil in die Tiefe stürzte, bis hinab zum zugefrorenen Fluss tief unten in der Klamm.
Der ohrenbetäubende Knall ließ Fyrmahn aufschrecken. Er hatte Ghadwyn im Auge behalten. Er sah seinen Vetter stürzen. Sofort begriff er, dass Ghadwyn tot war. Nun zuckte Fyrmahn hoch, blickte sich mit weit aufgerissenen Augen um, suchte nach dem Punkt, von dem aus der Schuss gefallen sein musste. Keiner seiner Männer war mit einer Luntenschlossmuskete ausgestattet, und Fyrmahn selbst hatte noch nie eine solche Waffe abgefeuert. Aber wie sie klang, wusste er dennoch genau. Wie hatte jemand seinen Männern nahe genug kommen können, einen solchen Schuss abzugeben?! Es waren Wunderwaffen, ja, aber doch unpräzise, wie jeder wusste! Nicht einmal gerüchteweise hatte man der Tiefländerwaffe zugesprochen, man könnte mit ihr einen Menschen über eine Entfernung von mehr als einhundert Schritt hinweg treffen, geschweige denn mit einer solchen tödlichen Präzision. Und niemand konnte dem Pfad unbemerkt so nahe gekommen sein, oder? Das war doch lächerl…
»Shan-wei!«
Fyrmahn fluchte lautstark, als der Schütze sich nun aufrichtete. In aller Seelenruhe ließ er zu, dass sich seine Silhouette am Himmel abzeichnete, während er seine Waffe nachlud. Mindestens vierhundert Schritt oberhalb von Ghadwyns Leiche befand er sich in der Bergwand und bewegte sich ohne jegliche Hast. Seine Körpersprache verriet arrogante Verachtung. Er wusste genau, dass er sich weit außerhalb der gegnerischen Reichweite befand.
Die Entfernung ließ Fyrmahn nicht
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