Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Leute für einen gewaltigen Satz vorwärts gesorgt: verglichen mit Terra rund ein Jahrhundert – vor allem dank der Tipps, die Merlin und ich ihnen geben konnten. Was die Weiterentwicklung zurückhält, ist die zur Verfügung stehende Energiequelle, die all diese Maschinen antreibt: Wasser. Über Wasserräder oder Hydraulikspeicher und Transmissionswellen oder Riemengetriebe kommen sie nicht hinaus. Dieser Antriebsart fehlt die Flexibilität und gefährlich ist sie obendrein, egal, wie viel Vorsicht meine Vorarbeiter und Verwalter und auch ich selbst walten lassen. Dampfmaschinen sind da schon eine gewaltige Verbesserung. Aber auch damit können wir schwere Maschinen nicht einfach dort aufstellen, wo sie gerade gebraucht werden. Wir bleiben darauf angewiesen, sie dort zu installieren, wo wir sie mit Energie versorgen können. Erst Elektrizität und Elektromotoren, die ein Energienetzwerk ermöglichen, würden auch Fertigungsstraßen möglich machen.«
»Hmm.«
Langsam und bedächtig nickte Wylsynn. Wieder ging er in Gedanken die Patentanmeldungen der vergangenen vier Jahre durch. Wahrscheinlich zwei Drittel davon hatten Howsmyn oder seine Handwerker eingereicht. Allerdings kamen Patente zunehmend von Charisianern, die noch nie von einer Terra-Föderation gehört hatten. Ein wirklich gutes Zeichen, fand Wylsynn. Die Probleme allerdings, die Howsmyn gerade angesprochen hatte, waren dem Intendanten von Charis bislang noch nicht aufgefallen. Wahrscheinlich war der Grund dafür, dass er so immens beeindruckt von dem war, was der Eisenhüttenmeister bislang alles zu Wege gebracht hatte.
Zum Beispiel war da die neue Dampfmaschine, deren Testlauf Wylsynn gerade miterlebte. Dank Owl – und Merlin natürlich – hatte Howsmyn die ersten hundert bis hundertfünfzig Jahre von deren Entwicklungsgeschichte auf Terra einfach übersprungen: Er hatte gleich mit Siederohrkesseln und Mehrfachexpansionsmaschinen angefangen, mit einem Dampfdruck von beinahe dreihundert Pfund pro Quadratzoll. Derartiges hatte man auf Terra erst zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in Angriff genommen. Gewiss, auch Howsmyns erstes Modell einer Dampfmaschine hatte nur einen einzigen Zylinder aufgewiesen, eigentlich eher ein Test, ob das ganze Grundkonzept überhaupt praktikabel war. Danach war Howsmyn sofort zu Expansionsmaschinen mit zwei Zylindern übergegangen, deren praktische Nutzung er bei Kähnen ausprobieren ließ. Aber auf keinem Kahn Safeholds gäbe es genug Platz für die riesenhafte Maschine, deren Inbetriebnahme Wylsynn gerade miterlebt hatte. Trotzdem war die Konstruktion der dampfgetriebenen Kähne eine hilfreiche Übung gewesen. Howsmyn ließ mit sehr viel höheren Drücken und ungleich größerer Effizienz arbeiten als bei allem, was vor Ende des neunzehnten Jahrhunderts auf Terra möglich gewesen war.
Die Fortschritte auf dem Gebiet der Hüttenkunde, dem Vernieten und Verschweißen und auch der Qualitätssicherung hatten ihren Teil dazu beigetragen, derartige Drücke und Temperaturen überhaupt erst zu ermöglichen. Aber das Konzept der Hydraulik hatte man auf Safehold schon immer recht gut verstanden – natürlich rein empirisch. Deswegen hatte es Wylsynn keine großen Schwierigkeiten bereitet, Howsmyns Hydraulikspeicher abzusegnen, auch ohne dem Inneren Kreis anzugehören: Letztendlich waren diese Speicher nichts anderes als eine weitere (zugegeben: geniale) Anwendungsmöglichkeit eines Konzepts, das bereit seit langer Zeit genutzt wurde. Darauf basierten schon die Wasserwerke, die seit dem Tag der Schöpfung dank der ›Erzengel‹ Teil von Safeholds Infrastruktur waren. Doch die Effizienz von Howsmyns Maschinen (Merlin sprach von ›Leistungsbilanz‹), die bald in ganz Charis eingeführt werden sollten, würde selbst seine Hydraulikspeicher in der Bedeutungslosigkeit versinken lassen. Es war daher vielleicht nicht überraschend, dass Wylsynn sich deutlich mehr auf diese Leistungssteigerung konzentriert hatte, als über das sogar noch größere Potenzial von Elektrizität nachzudenken. Außerdem musste sich der Intendant von Charis eingestehen, dass er dieses Phänomen selbst noch nicht so recht verstanden hatte.
Vor allem, weil wir uns sicher sein können, dass wir mit Elektrizität den »Rakurai« auf uns herabbeschwören, falls die Bombardierungsplattformen sie entdecken , dachte er grimmig. Wir können von Glück reden, dass Dampfkraft sie anscheinend nicht interessiert. Aber ein Kraftwerk wird ihnen doch wohl kaum
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