Nimue Alban: Kampf um die Siddarmark: Roman (German Edition)
Bauteile erst noch an den Ort ihres Zusammenbaus geschafft werden müssen. Bei kleineren, einfacheren Endprodukten wie einem Gewehr oder einer Pistole ist das unproblematisch. Aber je größer und komplexer das Endprodukt ist, desto beschwerlicher wird dieser Weg.«
»Und trotzdem sind Ihre Arbeiter immer noch um ein Vielfaches effizienter als alles, was die Kirche hat«, gab Wylsynn zu bedenken.
»Ja, das stimmt. Mehr und mehr meiner Gießereikollegen machen sich diese Technik ebenfalls zu eigen – einige unter offenkundigen Patentverletzungen.« Howsmyn grinste den Intendanten an, der zugleich auch der Leiter des Kaiserlichen Patentamtes war. »Manch einer wird sich fragen, warum ich nicht längst dagegen vorgegangen bin – dieser Dreckskerl Showail zum Beispiel. Aber ich kann denen ja schlecht sagen, wie glücklich ich darüber bin, dass die mittlerweile genauso vorgehen wie ich, oder?« Er schüttelte den Kopf. »Früher oder später muss ich also etwas unternehmen, um unliebsame Fragen zu vermeiden, etwa, warum ein geldgieriger Fabrikbesitzer wie ich sich nicht darüber beklagt, von anderen ausgenommen zu werden. Aber selbst wenn sich die neuen Fertigungstechniken durchsetzen, sind wir noch weit von dem entfernt, wo wir eigentlich längst sein könnten. Ehrlich gesagt werden wir unsere Effizienz noch steigern müssen, wenn wir die uns fehlenden Arbeitskräfte ausgleichen wollen. So ineffizient der Tempel produziert, hat die Kirche Arbeiter doch in solcher Menge, dass sie gleich eine Vielzahl von Fachkräften auf alle möglichen technischen Probleme ansetzen kann. Laut Owls SNARCs werden in Desnairia und den Tempel-Landen gerade die ersten wasserkraftbetriebenen Hochöfen und Walzwerke gebaut – mit Clyntahns Segen und Duchairns finanzieller Unterstützung. Bald wird man dort auch die Effizienz der Fallhämmer steigern. Für Merlins großen Gesamtplan mag das gut sein. Aber das Kaiserreich kann so etwas im Augenblick überhaupt nicht gebrauchen. Unsere einzige Chance ist, der Gegenseite technisch voraus zu bleiben. Das gilt ganz besonders für mich. Denn gerade meine Werke sind im Augenblick die technische Speerspitze des Kaiserreichs. Und genau hier käme dann meine Fertigungsstraße ins Spiel – wenn wir sie nur endlich zustande brächten!«
»Welche Unterschiede ergeben sich denn dann zur bisherigen Produktion?«
»Bei einer Fertigungsstraße wird unabhängig von dem, was zusammengebaut werden soll, alle Bauteile auf einem Förderband oder mit Hilfe eines Krans von einem Arbeitsplatz zum nächsten befördert. Klar, Fahrzeuge etwa könnten natürlich auch eigenständig rollen, sobald die Räder montiert sind. Entscheidend ist: Die Arbeit kommt von selbst zu den Arbeitern, sie müssen nicht von einem Arbeitsplatz zum nächsten laufen. Der andere wichtige Unterschied ist, dass an jedem Arbeitsplatz nur ein einziger Fertigungsschritt vollführt wird. An dem einen etwa verbinden Arbeiter zwei Bauteile, an dem anderen ziehen sie nur eine Schraube an, mehr nicht. Arbeitsorganisatorisch heißt es dann, die Arbeiterschaft so aufzuteilen, dass für die Einzelschritte der Fertigung an jedem einzelnen Arbeitsplatz genug Leute sind, um jeden Schritt praktisch gleich lang dauern zu lassen. Auf diese Weise herrscht in der Fertigungsstraße ein konstantes Tempo. Weil jeder Arbeitertrupp bei jedem neuen Bauauftrag wieder genau die gleiche Aufgabe erfüllt, werden sie immer effizienter und schneller.«
»Ich verstehe.« Auch Wylsynn nahm nun einen Schluck Whisky. Nachdenklich runzelte er die Stirn und rieb sich die Augenbraue. »Hoffentlich klingt diese Frage jetzt nicht zu begriffsstutzig: Aber warum können Sie nicht schon jetzt in dieser Weise vorgehen?«
»Bei relativ kleinen Produkten ginge das tatsächlich – bei den schon erwähnten Pistolen oder Gewehren etwa. Aber im industriellen Maßstab müssen dann große und zwar motorbetriebene Werkzeugmaschinen dort aufgestellt werden, wo sie im jeweiligen Fertigungsprozess gebraucht werden. Vor Merlin gab es eigentlich keine Werkzeugmaschinen, die diese Bezeichnung verdient hätten. Gut, ich habe natürlich schon lange vor Merlin so viele Fertigungsprozesse wie nur möglich durch Wasserkraft antreiben lassen. Meine Handwerker haben aber jetzt eine ganz neue Generation motorbetriebener Maschinen ersonnen: alles von Drehbänken und Bohrmaschinen bis zu motorbetriebenen Webstühlen und Spinnmaschinen für Rhaiyans Textilmanufakturen. Entwicklungstechnisch haben meine
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