Nina, so gefällst Du mir
Schule kannte, während sie selber…
Sie graulte sich vor all den fremden Menschen im Eßzimmer. Aber es half nichts, man mußte es überwinden, je eher, desto besser.
Mit einem leisen „Guten Morgen!“ setzte sich Nina auf ihren Platz. Sie nannte den beiden neuen Gästen ihren Namen. Man reichte sich die Hand und lächelte und wechselte ein paar gleichgültige Worte über das wunderbare Wetter und „your wonderful country“.
Aber Fräulein Dyring bestritt energisch die Unterhaltung, sie kannte sich in den Gepflogenheiten einer Pension aus. Ja, sicher sei es schön hier in Sirili. Und sie sei jetzt schon zum drittenmal hier. Ja, in diesem Jahr habe sie zeitig Ferien genommen. Sie wollte Sirilis schöne Natur gern im Frühsommer kennenlernen.
O gewiß, sie mache jeden Tag einen Spaziergang, lange, schöne Wege. Gestern sei sie auf der Bärenkuppe gewesen. Da liegen noch immer Schneefladen. Ja, Fräulein Löge habe doch wohl Bergstiefel mit! Die brauche man hier. Und während Fräulein Dyring schwatzte, strich sie sich ein ganz hübsches Paket Butterbrote. Sie war mehrmals an das große kalte Büfett gegangen, das mitten im Raum gedeckt stand, und hatte sich allerlei Aufschnitt geholt. „Ja, ja, Frau Jerndal isttüchtig. Bei dem mäßigen Pensionspreis solch eine Auswahl! Wenn ich an die Pension denke, in der ich vor drei Jahren war – teuer und ungemütlich! Hier fühlt man sich doch wie zu Hause. Wir sind wie eine große Familie…“ Fräulein Dyring lächelte sicher und zufrieden und legte sich Schinken auf die fünfte Schnitte. Dann rief sie die „begabte Bellina“ und erbat sich Kaffee für die Thermosflasche.
Nina saß daneben und machte sich ebenfalls Butterbrote zurecht, antwortete auf ein paar kleine Bemerkungen, dis die Engländer an sie richteten, und brach dann auf. Vor dem Haus lief ihr Zottel in den Weg, der sie stürmisch begrüßte und sich anschickte, mit ihr zu laufen.
Ja, ja, weshalb nicht? Im Augenblick war ihr die Begleitung eines Hundes lieber als die eines Menschen.
Und dann schlug Nina den geraden Weg zum Wald ein, dort, wo der Fußpfad nach Blaufall zwischen Birken und Nadelbäumen hindurchlief.
„Nina hat sich aber furchtbar verändert“, sagte Frau Jerndal. Sie und Grete standen in der Küche und räumten nach dem Frühstück auf.
„Ja, weißt du, sie ist krank gewesen“, sagte Grete. „Warte nur, sie wird sich schon erholen.“
„Ich finde, sie sieht aus, als schleppe sie irgendeine Last mit sich herum“, sagte Frau Jerndal nachdenklich. „Nun, ich habe sie ja auch nur bei der Begrüßung kurz gesehen. Oh, jetzt haben die schrecklichen Kinder von Frau Ludwig wieder mit den Marmeladelöffeln in der Butter herumgestochert. Man sollte glauben, daß wir keine Buttermesser im Hause hätten.“
„Sie haben sie auch im Mund gehabt“, sagte Grete trocken. Frau Jerndal mußte lachen.
„Ja, Grete, mit solchen Nöten hatten wir nicht gerechnet, als wir mit diesem Unternehmen anfingen. Aber ehe ich es vergesse: Ich glaube, du mußt die Sahne selber holen. Wir können nicht bis zum Vier-Uhr-Bus warten.“
„Glaubst du, daß unsere Engländer Rahmbrei essen?“
„Bestimmt nicht! Wir müssen eine Dose Würstchen bereithalten. Wann kannst du denn fahren, Grete?“
„In einer halben Stunde. Ich will nur bei Nina und mir aufräumen.“
„Ja, damit ist es nun aus, bis zum Nachmittag kann dein Zimmer nicht mehr ungemacht bleiben“, lächelte Frau Jerndal. Sie wußte nur zu gut, in den lebhaftesten Tagen konnte es geschehen, daß Gretes Bett überhaupt nicht gemacht wurde und am Abend, wenn Grete todmüde wieder hineinsank, genauso aussah, wie sie es am Morgen verlassen hatte.
Grete blieb an der Tür und sah sich im Zimmer um. Nina war Gast, zahlender Gast und hatte natürlich einen Anspruch darauf, daß ihr Zimmer gemacht wurde. Aber trotzdem – trotzdem. Grete wußte genau: Wäre sie an Ninas Stelle gewesen, dann hätte sie ihr Bett selbst gemacht, und sie hätte den Apfelstrunk und die Wattebäusche mit dem Puder weggeworfen, und sie hätte das Zahnputzglas abgespült, an dem noch weiße Spritzer von der Zahnpasta hafteten. Aber natürlich. Nina war in ihrem guten Recht. Und Grete machte das Bett und wischte Staub, räumte auf und säuberte mit schnellen, geübten Händen den Waschtisch.
Nina stapfte über die Hügel. Solange sie im Wald war, war es nicht so schlimm. Aber jetzt fing es an, ziemlich steil zu werden. Und als sie dann aufs Heidemoor hinauskam, stand
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