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Nina, so gefällst Du mir

Nina, so gefällst Du mir

Titel: Nina, so gefällst Du mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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war strähnig und ohne Glanz, trotz der neuen Dauerwelle, die sie vor der Abreise bekommen hatte.
    Die Sportjacke, die sie trug, war sehr einfach und bescheiden. Und neben ihr schlief ein zotteliger, krummbeiniger, lächerlicher Bastard von einem Köter.
    Nina stand mit einem Ruck auf, drehte sich auf dem Absatz um und ging schnell, ganz schnell über die Terrasse nach draußen, fort von „Blaufall“, fort von französischen Schönheitsoffenbarungen und moderner Eleganz – fort von einer Stimme, die schön geklungen hatte wie immer, ob sie nun Norwegisch oder Französisch sprach.
    Fort! Fort! Hier gehörte sie nicht hin. Das war eine Welt, die ihr verschlossen war.
    Fort! Ach, wer doch weit weg fortziehen könnte, sich in einem Mauseloch verkriechen, sich vor der Welt verstecken könnte – häßlich und müde und niedergeschlagen und mager und unglücklich, wie sie war.
    Sie ging schneller die Autostraße hinunter. Die weitete sich ein Stück unterhalb des Hotels aus, so daß ein kleiner Platz entstand.
    Hier gab es eine Poststelle und einen Landkrämer und einen Stand mit Zeitungen und Eis.
    Vor dem Zeitungskiosk standen zwei junge Mädchen und schleckten an ihren Eisstangen.
    Nina sah sich den Fahrplan des Autobusses an, der neben den Mädchen an der Kioskwand angeschlagen war. Und was sie jetzt sagten, schlug deutlich an ihr Ohr: „Wo ist denn die Modepuppe hin?“
    „Ach, das ist doch klar wie Kloßbrühe! Die kann doch zur Zeit nicht länger als höchstens eine halbe Stunde von ihrem Helden weg sein. Er ist doch der einzige, der mit ihr reden kann, sagte sie.“
    „Ist ja Quatsch! Die Person kann blendend Englisch, wenn sie nur will.“
    „Na klar, kann sie! Aber er ist ja so herrlich jung und schön, verstehst du? Und alles, was recht ist, der redet ja französisch, daß unsereins krank wird vor lauter Minderwertigkeitskomplexen. Der muß doch Student sein, Philologe oder so was Ähnliches.“
    Die andere lachte. „Du wirst doch nicht etwa auch ein wenig Feuer gefangen haben?“
    „Na klar hab ich das! Wenn erst die Modepuppe abgereist ist, da sollst du mal sehen! Dann fahre ich ganz großes Geschütz auf. – Hei, da wäre ja der Autobus! – Nein, ich weiche nicht von der Stelle, bis die Post sortiert ist. Den Brief will ich selber haben. Der kommt mir nicht mit in den Hotelhaufen hinein.“
    Ein Postsack wurde abgeladen. Die beiden Mädchen gingen kichernd und plaudernd zur Poststelle hinüber, und Nina nahm Zottel beim Wickel und stieg in den Bus.
    Der fuhr bald darauf ab und brachte Nina nach Sirili zurück.
    Sie hatte alles und alle Menschen satt. Vielleicht hatte sie sich selbst am allermeisten satt – nur wußte sie es noch nicht.

Aber dann erwachte Nina
     
     
    „Mädchen, du hast ja das Essen kaum angerührt! Magst du gebratenen Fisch nicht?“
    „Doch, Grete, er war sehr gut, aber…“
    „Du mußt essen. Du siehst im Gesicht aus wie ein Gespenst. Ist das der vergnügte Irrwisch aus der Mittelschule mit lauter Unfug im Kopf? Diese Gelbsucht darf dir doch nicht für alle Zeiten einen Knacks geben!“
    „Ach wo, das tut sie auch nicht. Aber ich bin so müde, Grete, und ich mag nicht essen – ich kann doch nichts dafür.“
    „Du Armes, du bist sicher kränker gewesen, als ich dachte!“ sagte Grete voller Mitgefühl. „Wenn ich nur etwas mehr Zeit hätte, Nina. Dann könnten wir uns hin und wieder einmal unterhalten. Aber du siehst ja, wie oft ich Gelegenheit habe, mich auf einen Stuhl zu setzen. Und da klingelt es schon wieder. Das sind bestimmt Frau Ludwigs Kinder, die wollen eine Brause haben. Oder Frau Pedersen möchte warme Milch. Mach einen ordentlichen Spaziergang, Nina. Es ist heute abend so herrlich draußen. Und dann wirst du müde und kannst schlafen.“
    Grete wußte, weshalb sie das sagte. Sie hatte wohl gemerkt, daß Nina in den letzten Nächten stundenlang wach gelegen hatte.
    „Wenn ich nur wüßte, was ich mit Nina anstellen soll“, sagte sie zu ihrer Mutter, als sie in der Küche stand und Milch für Frau Pedersen heiß machte. „Sie wird von Tag zu Tag elender.“
    „Weißt du, was ich glaube? Mit dem Mädel ist seelisch irgend etwas nicht in Ordnung. Es sind nicht nur die Nachwirkungen von der Krankheit. Das Kind hat sich in ein Mitleid mit sich selbst geradezu hineingesteigert, Grete. Glaube mir, soviel Instinkt habe ich. Sie redet mit keinem Menschen, wenn sie es umgehen kann, ganz zu schweigen davon, daß sie nie auch nur einen Funken Interesse für dich

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