Nina, so gefällst Du mir
sein sollte in einem Haushalt von achtzehn Menschen, einen Plan zu machen. Und das ohne jede andere Hilfe als Elise, die zwar einigermaßen kochen konnte, aber sonst eine Schlampe war, wenn man nicht unaufhörlich ein Auge auf sie hielt – und die „begabte Bellina“, die zwischen einer Sardinengabel und einem Buttermesser keinen Unterschied sehen konnte.
Grete schmerzte der Kopf. Mit einem tiefen Seufzerklappte sie die Bücher zusammen, löschte das Licht in der Küche und ging nach oben.
Die Uhr war halb zwei, und Grete stellte den Wecker auf fünf.
Sie warf einen schnellen Blick auf das andere Bett. Nina schlief.
Da fiel Grete etwas ein. Sie nahm den Wecker und ihre Toilettensachen, schlich geräuschlos aus dem Zimmer, ging quer über den Flur und in Mutters Zimmer.
Es war nach zwei, ehe Grete in ihrer Mutter Bett einschlief.
„Ach, Fräulein Jerndal, könnten sie nicht dafür sorgen, daß Bella mein Zimmer bald macht? Ich möchte gerne dort drinnen sitzen und Briefe schreiben. Jetzt ist es schon nach elf…“
„Bella, der Kaffee ist ja kalt; Sie müssen doch neuen holen. Begreifen Sie das nicht?“
„Nein, die Klöße sind nicht so, wie Frau Jerndal sie machte.“
„Nein, wir fahren morgen ab. Es ist ja nicht mehr so wie früher.“
„Ja, die Ärmste! Es ist zuviel für Fräulein Jerndal. Aber auf der anderen Seite möchte man es doch auch schön und bequem haben in den lumpigen paar Urlaubstagen.“
„Bekommen wir nicht bald Lunch? Die Uhr ist schon ein Viertel nach!“
„Ja, aber meine Liebe, es muß doch Hilfe zu bekommen sein! Es ist völlig verkehrt von Fräulein Jerndal, daß sie versucht, das ganze allein zu schaffen. Das kann sie doch nicht.“
„Aber nein! Sehen Sie nur! Die Topfpflanzen hier an den Fenstern sind ja knochentrocken! Darauf müßte Bella doch achten können!“
Das ließ sich nicht leugnen. Wenn auch die Gäste Mitleid hatten und einsahen, daß Grete zuviel um die Ohren hatte, murrte und knurrte doch hier und da einer. Wenn es irgend etwas gibt, was Sommergäste übelgelaunt macht, dann ist esmißratenes Essen. Und – so traurig es war – daß Elisens Kochkunst keiner Kritik standhielt, war eine Tatsache. Die Gäste waren durch Frau Jerndals „glückliche Hand“ und ihren sicheren Geschmack verwöhnt.
„Ja, natürlich kann es einem leid tun um sie, aber wir möchten doch auch nicht unsere kostbaren Ferien zerstören lassen“, sagte der eine und sagte der andere, und der eine wie auch der andere bat um die Rechnung und fuhr ab.
Grete schuftete und rackerte sich ab, wurde blaß und bekam Ringe unter den Augen aus Mangel an Schlaf.
Nina sah und hörte wenig davon. Sie aß ihr Morgenfrühstück und verschwand, lag stundenlang draußen auf dem Rasenhang, schmorte in der Sonne oder machte kleine Wanderungen auf irgendeine kleine Bergkuppe, wo sie sich mit einem Buch hinsetzte oder gelegentlich ein kurzes Briefchen nach Hause schrieb.
Und zu den Mahlzeiten ging sie heim und dann in ihr Zimmer hinauf, das sie jetzt allein hatte. Und sie konnte nach dem Lunch ins Bett gehen und stundenlang liegenbleiben, unaufgelegt und schwer im Kopf und ohne Appetit.
Und wieder war es Samstag. Und es kamen neue Gäste, zu allem Unglück ein paar Ausländer, und fremde Sprachen waren nicht Gretes starke Seite.
Ninas übrigens auch nicht. Aber sie konnte doch soviel aushelfen, daß man sich verständigte, als eine ältere Dame aus der Schweiz versuchte, der „begabten Bellina“ begreiflich zu machen, daß sie gerne eine Flasche Mineralwasser gehabt hätte. Solange die Dame französisch sprach, war Nina hilflos, aber als sie dann deutsch redete, ging es einigermaßen.
Die „begabte Bellina“ verschwand. Aber das Mineralwasser kam nicht. Da stand Nina auf, um es zu holen.
Als sie in die Küche hinunterkam, blieb sie stehen und rang nach Luft. Hinter einem Berg schmutziger Kochgeräte stand Grete mit zerzausten Haaren und übernächtigenAugen. Vom Herd kam ein widerwärtiger Brandgeruch. Hier war etwas übergekocht und hatte sich auf der Herdplatte festgesetzt. Die „begabte Bellina“ hatte etwas auf dem Fußboden verschüttet und lag auf allen vieren und wischte auf. Nina nahm sich die Flasche Apollinaris selbst und dazu ein Glas und brachte es der Schweizer Dame nach oben. Dann ging sie in die Küche zurück.
„Räume du die Essensreste auf“, sagte sie und zeigte mit dem Kopf zur Küchenbank hinüber, auf der die halbleeren Schüsseln beiseite gestellt worden waren.
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