Nina, so gefällst Du mir
die Gäste zu bitten, daß sie abreisen.
Sie möchte so gern die Pension weiterführen, so gut sie es irgend kann. Und nun finde ich, daß wir, das heißt die Jüngeren unter den Gästen, Grete Jerndal gegenüber als gute Kameraden auftreten sollten. Und da möchte ich Sie fragen, ob Sie es übernehmen könnten, Ihre Zimmer selbst in Ordnung zu bringen, das Bett zu machen, Staub zu wischen, zu lüften und aufzuräumen. Das ist ja im Nu gemacht, und für Grete wäre es eine große Hilfe. Grete weiß nicht, daß ich Sie darum bitte. Sie selbst würde es niemals tun. Aber ich meine, wir Gäste könnten dies allein unter uns selbst verabreden, so daß alles schon fix und fertig ist, wenn Grete oder Bella oder Elise morgen die Zimmerrunde in Angriff nehmen. Was meinen Sie dazu?“
Die Gäste sahen sich gegenseitig an, zuerst ein wenig erstaunt, dann lächelten sie einer nach dem anderen und nickten verständnisvoll, die jungen wie die alten.
„Klar können wir das.“
„So kameradschaftlich muß man doch schon sein.“
„Weshalb übrigens nur die jungen Leute?“
„Aber bitte, kein Wort davon zu Grete. Es soll eine Überraschung sein.“
„Können wir sonst noch etwas tun, Fräulein Nina?“ Fräulein Dyring nickte begeistert. „Habe ich es nicht immer gesagt! In diesem Haus sind wir wie eine große Familie.“
„Ich danke Ihnen allen tausendmal“, sagte Nina. „Ich freue mich riesig, daß wir uns einig sind. Aber nun muß ich laufen, sonst wittert Grete, daß wir was im Schilde führen.“
Als Nina an diesem Abend ins Bett ging, war sie müde, richtig gut müde, so, wie sie sich seit Wochen und Monaten nicht gefühlt hatte. Es war eine gesunde Müdigkeit nach körperlicher Arbeit. Zwei Minuten dauerte es, nachdem sie den Kopf aufs Kissen gelegt hatte, dann war sie eingeschlafen.
Und die Hilfe kam
„Nina, du bist wirklich das komischste Menschenkind, dem ich begegnet bin“, sagte Grete.
Sie standen zusammen an der Aufwaschbank. Elise richtete den Kaffee an, und Bellina hatte eine Stunde freibekommen. Sie war eine gute Person, die kleine Bellina! Niemals klagte sie über all das, was zu tun war, und nie kam ein Nein aus ihrem Mund. Daß sie ohne Zweifel nicht in der Nähe gewesen war, als das Pulver erfunden wurde, war nicht ihre Schuld! Sie war in diesen Tagen auch müde und blaß geworden. Und Grete war jedesmal froh, wenn sie zu ihr sagen konnte: „Lauf ein Stündchen nach oben, Bellina, und schlaf ein bißchen!“
„Weshalb bin ich komisch?“ fragte Nina.
„Tagelang läufst du jetzt hier herum und vegetierst nur, ißt und schläfst – wirst mit jedem Tag dünner und elender. Dann plötzlich fängst du an, um halb sechs aufzustehen, und schuftest den ganzen Tag wie ein Knecht, kommst viel zu spät ins Bett, hast kaum Zeit genug zum Essen – und jetzt nimmst du tatsächlich zu, und du hast Farbe bekommen. Ist das etwa nicht komisch?“
„Nicht so komisch, wie du meinst“, lächelte Nina. „Es kommt ganz einfach daher, daß ich mich wohl fühle.“
„Das ist nun ebenfalls sehr komisch“, stellte Grete fest. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich getan hätte, Nina. Nicht eine einzige Klage über das Essen, seit du angefangen hast, hier im Haus das Zepter zu schwingen – ich meine den Kochlöffel. Im Gegenteil! Hast du gehört, daß Frau Ludwig sich das Rezept für deinen Vanillepudding ausgebeten und daß Larsen den Fischauflauf über den grünen Klee gelobt hat? Du kannst wahrhaftig kochen, Madchen!“
Nina lächelte. „Furchtbar nett, daß du das sagst, Grete. Ja, im Grunde finde ich, Kochen macht Spaß, und dann vergiß nicht, ich komme ja frisch von der Haushaltungsschule.“
„Die weibliche Arbeit liegt dir“, stellte Grete fest. „Ich weiß noch, daß du in der Schule in Handarbeit sehr gut warst. Was wird nun eigentlich mit dir? Willst du nach Oslo gehen und weben lernen?“
„Nein. Ich habe mich anders entschlossen. Ich gehe aufs Gymnasium.“
„Was? Aufs Gymnasium? Warum denn das?“
„Tja, ich möchte mich in Sprachen gern vervollkommnen.“
„Aber du liebes bißchen! Das kannst du doch auch, ohne aufs Gymnasium zu müssen! Es geht mich ja nichts an. Aber all das mit dem Gymnasium und der Studentenmütze und dem Lernen und Büffeln und was nicht alles… Das paßt irgendwie gar nicht zu dir. Bei dir sitzt es in den Händen, weißt du das?“
„Und nicht im Kopf, meinst du?“ sagte Nina.
„Versteh mich nicht falsch“, sagte Grete schnell.
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