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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Soldatensoldes gespart, Borja. Ernährt und gekleidet hat mich die Armee, und Frau und Kinder habe ich nie gehabt. Da kommen ein paar Rubelchen zusammen. Es gibt keine Ruhmestat, die mich überleben wird, kein Monument, nichts. Aber etwas soll doch von mir übrigbleiben. Söhnchen, ihr habt zu Hause schöne, gute, große Schiffe. Und wenn du wieder nach Riga kommst und bist der große Handelsherr Tugai, dann bau ein kleines, aber stabiles Schiff und nenne es ›Globonow‹. Hier findest du das Geld dafür.« Der Oberst klopfte mit der Pfeife gegen sein Holzbein.
    »Hier drin, mein Söhnchen«, fuhr er fort. »Das Bein ist hohl. Und es ist vollgestopft mit Rubelscheinchen. Borja Stepanowitsch, ich ernenne Sie zu meinem Erben. Wenn ich abgegangen bin von dieser verdammten Welt, dann schrauben Sie mir das Bein ab und bauen Sie das schöne Schiff ›Globonow‹ …«
    Borja starrte den alten Oberst an. »Was reden Sie da, Nikolai Borisowitsch«, sagte er endlich stockend. »Sie werden hundert Jahre alt.«
    »Blödsinn!« Globonow steckte die Pfeife wieder in den Mund. »Der Doktor ist ein ausgemachter Narr. Er weiß nicht, daß ich unheilbar krank bin.«
    An einem dieser Wintertage entschloß sich General Schejin, mit zehn Reitern aufzubrechen, um Jenjuka einen Besuch abzustatten. Es war ein herrlicher Sonnentag, der Schnee schimmerte bläulich, und die Bäume sahen aus wie die Kunstwerke eines Zuckerbäckers.
    Schejin ritt forsch nach Norden. Er hatte Post aus Petersburg bei sich, sehnte sich nach dem Knurren und Schimpfen Globonows, wollte einer Aufführung der Theatertruppe beiwohnen und gleichzeitig seiner Pflicht genügen, das Lager zu inspizieren.
    Die kleine Schar ritt fünf Tage, bis sie in das Gebiet von Jenjuka kam. Hier merkte man schon, daß Holzfäller am Werk gewesen waren, und der Urwald sah nicht mehr so wild und unwegsam aus wie am Tage der Schöpfung. Es war klirrend kalt, aber die Sonne schien. Da begannen plötzlich die Pferde zu schnauben und waren kaum noch zu halten. Die Augen traten ihnen aus den Höhlen vor Entsetzen, und Schweiß überzog die zitternden Körper.
    »Zusammenbleiben!« brüllte Schejin und riß sein Gewehr hoch. »Dicht zusammenbleiben!«
    Aus dem Unterholz brach jetzt ein Gewimmel von graubraunen vorwärtsschnellenden, hechelnden und heulenden Tierkörpern hervor. Von allen Seiten kamen sie. Wölfe!
    Schejins Augen weiteten sich. Der Anblick eines Wolfes war nichts Neues für ihn. Er hatte viele Wolfsjagden veranstaltet. Er hatte keine Angst vor diesen blutgierigen Tieren, auch dann nicht, wenn der Hunger sie antrieb.
    Aber was da von allen Seiten aus dem Wald brach, war das größte Wolfsrudel, das Schejin je gesehen hatte. Es war ein Wolfsheer!
    Es hatte keinen Sinn mehr, weiterzureiten. Die Pferde zitterten dermaßen vor Angst, gingen hoch und wieherten schrill. Die Reiter konnten sie kaum noch halten. Nach allen Seiten wollten die Tiere ausbrechen – das aber wäre der sichere Tod gewesen, denn was kann ein Mann allein gegen zehn oder zwanzig Wölfe ausrichten?
    »Zusammenbleiben!« brüllte General Schejin heiser. »Dort ist eine Lichtung! Dahin reiten wir!«
    Die Soldaten schlugen auf die Pferde ein, stießen ihnen die Sporen in die Seiten und erreichten tatsächlich geschlossen die Lichtung. Hier sprangen sie ab und eröffneten sofort das Feuer auf die Wölfe, die ihnen nachgejagt waren. Während die ersten fünf Reiter schossen, banden die anderen die Zügel ihrer Pferde zusammen und schlangen sie um zwei Bäume. Dann rannten sie zu ihren Kameraden zurück und rissen die Gewehre hoch. Sie brauchten kaum zu zielen, bei dieser Masse traf jeder Schuß.
    »Gut so!« schrie General Schejin. »Noch einmal!«
    Die zweite Salve ließ das Wolfsrudel zurückweichen. Nur ein paar starke alte Wölfe liefen weiter, hieben ihre schrecklichen Zähne in die Körper ihrer getöteten Artgenossen und schleiften sie zum Waldrand. Dort fielen sie mit den anderen heulenden über sie her und zerrissen die blutenden Leiber. Blut! Fleisch! Nicht mehr hungern!
    Aus dem tief verschneiten Wald tauchten immer neue Rudel auf und warfen sich in das Gewimmel, um auch ein paar Fleischfetzen abzubekommen.
    Mit entsetzten Augen starrte General Schejin auf dieses Bild. Dann blickte er hinüber zu seinen Leuten, sah, wie sie bleich im Schnee knieten, die Gewehre im Anschlag.
    »Wieviel Munition haben wir noch?« fragte Schejin.
    »Nicht genug, Exzellenz, um dieses Heer von Wölfen zu erschießen«,

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