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Ninotschka, die Herrin der Taiga

Ninotschka, die Herrin der Taiga

Titel: Ninotschka, die Herrin der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rückreise nicht mehr überlebt. Also war Jenjuka die Endstation ihres Lebens. Das wußten sie, und sie begannen, ihre Grabkreuze zu schnitzen.
    Sie hatten viel Zeit dazu. Draußen heulte der Schneesturm und machte jede Arbeit im Wald unmöglich.
    Und dann begann plötzlich Globonow zu kränkeln. Keiner wußte, was er hatte, nicht einmal der Arzt, der wegen der beiden an Lungenentzündung Erkrankten aus Tschita gekommen war und wegen des Schneesturms in Jenjuka festgehalten wurde.
    Die Krankheitssymptome, unter denen Globonow litt, waren zu vielfältig. Mal stach es hier, mal dort, mal zersprang ihm der Kopf vor Schmerzen. Dann wurde ein Arm taub, oder es stach ihn beim Atmen in der Brust. Und wenn das vorüber war, versagte der Darm.
    »Die ganze Maschine ist kaputt«, sagte Globonow zu Ninotschka, die ihn pflegte. »Wie alt bin ich jetzt eigentlich? Verdammt, hier lebt man ohne Zeitgefühl! Ich müßte jetzt zweiundsiebzig sein. Aber mein Großvater … der wurde vierundachtzig!«
    »Dann erreichen Sie die Hundert, Väterchen«, meinte Ninotschka. Heute klagte Globonow über Schmerzen im Becken. Er konnte nicht sitzen und nicht liegen, sondern mußte stehen und sich, wenn er müde wurde, an der Wand anlehnen. Sobald er das Becken belastete, knirschte er vor Schmerzen mit den Zähnen.
    Ein paar Tage später waren die Beschwerden vorüber. Nun stach es in der Lunge, und Globonow spuckte Blut.
    An diesem Tag sprach der Arzt mit Ninotschka, als sie einen Augenblick allein in der Stube waren. Der Doktor setzte sich auf die Ofenbank und sagte traurig: »Hochwohlgeboren, ich muß Ihnen die Wahrheit gestehen, aber verraten Sie mich nicht. Ich bin fast sicher, daß der Oberst durch und durch mit einer unheilbaren Krankheit verseucht ist, die ihn von innen heraus verfaulen läßt. Er muß schon seit Jahren immer wieder auftretende Schmerzen gehabt haben. In seinem blutigen Auswurf habe ich Lungengewebe entdeckt, und vor zwei Monaten bei dem Durchfall fand ich Darmstückchen im Kot. Dabei läuft er immer noch herum und tut, als sei er kerngesund. Der Tag, an dem er endgültig zusammenbricht, wird schrecklich für ihn sein.«
    Ninotschka behielt ihr Geheimnis für sich. Nur mit Borja sprach sie darüber. Borja war jetzt zum Führer eines Trupps Krimineller ernannt worden, dessen Aufgabe es war, ein großes Waldgebiet einzuzäunen, um darin Nerze zu züchten.
    An einem Abend – draußen heulte der Schneesturm und deckte alles wieder zu, was man vor Stunden noch mühsam freigeschaufelt hatte – saßen Borja Tugai und Oberst Globonow zusammen auf dem Ofen und spielten Schach. Ninotschka war drüben in der Kapelle und half einigen Frauen, den Raum für eine neue Taufe zu schmücken.
    »Wie sind eigentlich Ihre Zukunftspläne, Borja Stepanowitsch?« unterbrach Globonow das Spiel.
    »Ein Stück Land, um mich selbst ernähren zu können, zwei oder drei Kinder …«
    »Ich meine doch nicht in Sibirien! Ich meine, wenn Sie begnadigt sind!«
    »Daran denke ich nicht.«
    »Das sollten sie aber. Eine große Petition an den Zaren ist unterwegs. Die vierte bis jetzt, aber die beste. Sie muß Erfolg haben. Vierzehn hohe Offiziere haben sie unterschrieben, alle Gouverneure der sibirischen Provinzen, und sogar die Stroganoffs, die sich sonst nicht um Politik, sondern nur um Geld kümmern. Anlaß ist Ihre Frau Ninotschka Pawlowna. Die Geschichte von der ›Herrin der Taiga‹ hat die Runde gemacht. In der Welt erinnert man sich nun wieder der Dekabristen. Und außenpolitisch hat es der Zar gerade jetzt nötig, als großzügiger, gnädiger Herrscher angesehen zu werden. Also angenommen, Sie bekommen die Nachricht, daß sie frei sind, was dann?«
    »Dann bleibe ich hier. Ich habe Sibirien lieben gelernt, Nikolai Borisowitsch.«
    »Ich auch. Aber Sie sind ein junger Mann, Borja! Wollen Sie Ihr Leben vertun, indem Sie in Jenjuka Kohl anbauen? Sie haben doch ein Elternhaus.«
    »Mein Vater hat Schiffe in Riga. Eigentlich sind wir ja deutscher Abstammung, heißen gar nicht Tugai, sondern Thorgau.«
    »Und der alte Graf Koschkin hat auch Schiffe auf der Ostsee. Ihr könntet doch einen Seehandel anfangen, oder wollen Sie in der Armee bleiben?«
    »Nein. Man hat meinen Degen über meinem Kopf zerbrochen … dabei bleibt es. Wenn ich wirklich nach Europa zurückkehre, dann gehe ich zur See. Aber was soll das alles? Dazu wird es doch nie kommen.«
    Globonow streckte sein Holzbein von sich. »Ich habe mein Leben lang den größten Teil meines

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