Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
mitschleppen.“
„Der Kerl war ein Gefangener der Spitzohren. Auch wenn er selber eins ist. Seit wann töten wir ihre Feinde?“
Auric hatte aus einem plötzlichen Impuls heraus gesprochen, aus einem typischen Reflex: Gefangene, Feinde deiner Feinde und so. Aber Keiler Drei hatte Recht: Sie hatten genug mit den eigenen Verwundeten zu tun.
„Also schleppen wir ihn mit“, brummte Keiler Drei verdrießlich, schaute dem Gefangenen mit bösartigem Blick in die Augen und ließ ihn noch einmal genau sein Messer sehen, bevor er es wieder in die Scheide steckte.
Der Rest der Gruppe kam herbei und versammelte sich um Auric und den auf dem Boden liegenden Kinphauren, der sich jetzt wegen der Fesseln nur mühsam aufrichtete. Der Kinphaure schaute neugierig in die Runde, ohne sichtbare Spur von Ängstlichkeit oder gar Panik, wie man hätte vermuten können.
Sein Blick blieb an Auric hängen. „Danke“, sagte er, diese zwei kurzen Silben in gestochen klarem Idirisch.
Auric musterte ihn jetzt genauer. Der Kinphaure trug weder Kettenhemd, noch eine der leichten und glatten Panzerungen sondern eine aufwändiger aussehende Rüstung mit einem echten Harnisch und Schulterplatten, Bein- und Armschienen, die menschlichen Vorstellungen, wie eine Rüstung auszusehen hatte, näher kam, auch wenn der Charakter der Formgebung weit von allem menschlichem Gestaltungsempfinden abwich. Teile davon waren aus Metall gefertigt, andere wieder aus Drachenhaut, aber alle waren vom gleichen tiefen Schwarz, dunkler und satter als es die anderen Elfenkrieger trugen, obwohl jetzt der größte Teil unter einer dicken Dreck- und Staubschicht lag.
Sein Gesicht wirkte schmal und knochig von der Form. An Knochen erinnerte auch seine Farbe, das gleiche beinern bleiche Weiß, das allen Kinphauren zu eigen war. Es wirkte um so bleicher durch den Kontrast zum Schwarz der Rüstung, andererseits stach aber auch, bei dem Schmutz und dem Blut, mit dem das Gesicht bedeckt war, jeder saubere, unbesudelte Flecken Haut noch stärker hervor.
Auric hatte noch nie Gelegenheit gehabt, einen Kinphauren so eingehend und nahe zu studieren. Umso mehr erstaunten ihn die tiefen Falten, die sich in das Gesicht des Gefangenen eingegraben hatten. Für ihn schien diese knochenbleiche Haut immer auch nach Glätte zu verlangen, nach einer wie poliert wirkenden Ebenmäßigkeit. Auch der Gedanke an Alter schien nicht zu dieser Nichtmenschenrasse zu passen. Dieser Kinphaure hier war aber eindeutig über seine Jugend hinaus; die Spuren von Reife und Erfahrung hatten sich deutlich in sein Gesicht eingegraben. Vielleicht traten die vorhandenen Falten durch Blut und Schweiß und Dreck, die sich in jede Furche des Gesichts gesetzt hatten, noch umso deutlicher hervor.
Seine Haare waren von einer Farbe, bei der man nicht sagen konnte, ob es sich um Weiß oder einen extrem ausgebleichten Rotblond-Ton handelte. Sie hingen glatt, verdreckt und strähnig an seinem Kopf herab und klebten zum Teil verschwitzt an den Wangen.
„Okay“, sagte er zu dem Kinphauren, „wir lassen dich gefesselt. Du bleibst am Leben, aber du bleibst als Gefangener bei uns. Wenn du versuchst zu entkommen, oder irgendetwas anderes Krummes versuchst, ändert sich dein Status von Gefangener zu Leiche. Hast du mich verstanden? Wie soll ich dich nennen?“
„Ich werde nichts … Krummes versuchen.“ Wieder ein gestochen klares Idirisch ohne jeden Akzent. „Und du kannst mich … Ikun nennen. Wenn du mir einen Namen geben willst.“
„Wir schleppen also tatsächlich einen Elfen mit und wir müssen auch noch seinen Namen wissen“, knurrte Keiler Drei von der Seite her.
Auric warf ihm einen ruhigen, aber ernsten Blick zu. „Er ist kein Elf. Er ist ein Kinphaure.“
„Und? Gibt‘s da ’nen Unterschied?“
„Aber klar. Elf heißt eigentlich gar nichts. Elf sagt man zu so ziemlich allem, was ungefähr wie ein Mensch aussieht, aber trotzdem keiner ist. Dazu gehören die Kinphauren, aber es gibt zum Beispiel auch die Ninre. Beide sind vollkommen unterschiedliche Rassen und haben nichts miteinander zu tun.“
Keiler drei warf ihm aus kleinen, stechenden Augen einen verständnislosen, verärgerten Seitenblick zu. „Was bist du denn für ein Oberschlaumeier?“
Das ging zu weit. Das ging vielleicht in einer Kneipe, aber nicht vor anderen Soldaten.
„Ich bin der Oberschlaumeier, der dich aus der Scheiße hier rausbringt. Der, der für dich Korporal heißt, oder meinetwegen Korporal Auric. Ich bin auch
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