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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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diesem weiten Tiefland war aus dieser Entfernung fast kaum wahrnehmbar. Eine wogende Laubdecke ebnete alle Furchen und Kratzer, die das Land durchkreuzten, fast bis zur Unkenntlichkeit ein. Nur der südliche Hügelkamm hob sich ab wie der Buckel eines gigantischen Kadavers, der in den Wald gestürzt und dann einfach von ihm überwuchert worden war. Dort befand sich, wenn alles gut gegangen war, Crussav und focht seinen Kampf gegen die Sturheit einer Befehlskette, die größtenteils aus altgedienten idirischen Beamtenoffizieren bestand, von denen viele im Grunde den einfachen Soldaten der Sechzehnten, den Nicht-Idirern – den „Barbaren“ – misstrauten. Er hoffte für sie alle, das hinter Crussavs knochig breiter Stirn ein unerbittlicher, unnachgiebiger Starrsinn hauste, der sich von Wichtigtuerei und Borniertheit nicht beeindrucken ließ.  
    Er wandte sich um und stellte sich wieder der dunklen Masse, die ihren Blick auf alles andere als deren thronende Präsenz blockierte. Das letzte Stück ihres Weges führte sie bergauf zwischen Steinbrocken und -pfeilern hindurch, als gelangten sie durch einen überwachsenen Torweg in den abgelegenen Winkel eines verborgenen Höfchens.
      Dort, als er sich so nah bei der Wand befand, dass er sie mit ausgestreckten Händen berühren konnte, sah er von ihr zunächst nicht mehr als eine verwobene Pflanzendecke aus sich in die Ritzen des Steins klammerndem Strauchwerk und Schlingpflanzen. Ikun trat zielsicher heran und hob einen Teil des dichten Webwerks beiseite, so dass Auric hindurchtreten konnte. Hinter dem Laubvorhang gähnte ein breiter, rechteckiger Schacht. Würde man diesen Überhang weghacken, ergab sich eine breite Heerstraße, auf der die idirische Armee geradewegs ins Herz der Festung marschieren konnte.
    Der Rest ihres Trupps folgte dichtauf. Er sah ihre Gestalten sich stumm vor dem dünnen, milchigen Schein durch den Pflanzenvorhang hindurchsickernden Lichts zusammendrängen. Schweigend drehte er sich von ihnen fort, und schweigend folgten sie ihm auf ihren Weg in die Dunkelheit.

    Ein eigentümliches Gefühl von totem, umschlossenen Raum überkam ihn in dem Gang, der von seinen Proportionen eher einem in die Waagerechte gekipptem Schacht glich und dessen Wände so eben und glatt waren, dass ihre Erschaffung nur speziellen alten und in Kvay-Nan lange in Vergessenheit geratenen kinphaurischen Fertigkeiten zugerechnet werden konnte. Vom Querschnitt her ein flaches Rechteck schnitt dieser Schacht gerade wie eine Pfeilwunde tief in den Stein des Festungssockels. An seinem Ende glühte ein diffuses Licht, das dort den Umriss der umgebenden Wände hervortreten ließ. Unendlich, eigentlich aberwitzig tief schien daran gemessen der Schacht in den Fels hineinzuführen, doch Ikun erklärte ihm, dass dieser Effekt durch die sich verjüngenden Begrenzungsflächen von Wänden, Decke und Boden, entstände.
    Außer dem Schimmer in der Tiefe hatten sie kein weiteres Licht bei sich, das ihnen eine Orientierung ermöglicht hätte. Sehr leise und fern, ansonsten nur durchbrochen vom hohlen Klang ihrer Schritte, hallten ihnen in der Dunkelheit von Zeit zu Zeit aus dem Gang tief grollende Töne entgegen, als würden in der Tiefe des Felsens gigantische widerhallende Glocken angeschlagen, dunkel und dröhnend, doch durch die Entfernung so abgedämpft als klängen sie aus einer anderen Welt herüber.
    Ikun hatte Auric erklärt, dass dies ein nur äußerst selten benutzter Gang sei. Deshalb werde er auch durch einen Wächter geschützt. Dieser Wächter sei zwar eine für den Unbefugten unüberwindbare Barriere, doch stelle er eine Sicherung dar, deren Öffnen und Schließen für eine häufige Benutzung zu aufwändig und von zu wenigen Eingeweihten zu handhaben sei. Die anderen stärker benutzten Eingangsstollen wurden durch die konventionelleren Methoden gesichert: starke Wachen und starke Tore.
    Wegen der optischen Täuschung durch die Verjüngung des Gangs näherten sie sich dem diffusen Licht, das sie gesehen hatten, schon nach erstaunlich kurzer Wegstrecke. Jetzt sahen sie auch, dass es nicht das Ende des Gangs markierte, sondern dass dieser dahinter in gleicher Weise fortlief, nur schien es, dass er sich hinter der Quelle des Lichts wieder langsam erweiterte.
    Bei der Annäherung an dieses von der Decke herabfallende Licht beschlich Auric ein gleicher Widerstand weiterzugehen wie schon beim Einstieg ins Tunnelsystem. Der Schein strömte bleich und geisterhaft aus einem in der

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