Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
heiseren Schreie hörten.
Das Haus des Geheimnisses
Die Räume, in die der Körper des Kunaimra gebracht worden war, der sie beim Fund Aurics angegriffen hatte, trugen keinen wirklichen Namen. Sie lagen tief nahe den Wurzeln von Himmelsriff, dort wo der vorgelagerte Klippengrat und der Sturz des Landbruchs wieder zusammenwuchsen. Die meisten Ninraé kümmerten sich nicht um diese Orte und um das, was dort vorging. Ihre Aufmerksamkeit war anderen Regionen zugewandt.
Das dort unten war Nadragírs Reich. Er nannte den Ort in seiner eigenwilligen Art „die Kammern der Physis“, dies in einer so ungewöhnlichen Verwebung der Elemente ihrer Sprachen ausgedrückt, dass ein unübersetzbares Wortspiel zustande kam, nach dem der Name des Ortes auch als „das Geheimnis“ gelesen werden konnte.
Darachel ging an diesem Tag gemeinsam mit Bruc und Cedrach dort hinunter, und er war dankbar, dass von Bruc der Vorschlag kam, für den Weg dorthin, statt eines herkömmlichen Pfades, die Treppenkammern entlang des Schachts der Tiefe zu benutzen . Heute zog er den kurzen, geraden Weg eindeutig dem Verfolgen des Webens von Bedingtheiten vor, wie es das Prinzip eines Pfades darstellte. Es waren gerade nicht die feineren Reiche, denen bei diesem Gang seine Aufmerksamkeit galt, sondern eben die Kammern der Physis.
Diese Kammern, in denen Nadragír seinen Studien nachging, hatten nichts von den hohen, schlanken Proportionen der oberen Räume. Stattdessen stellten sie eine Flucht von dunklen, verschachtelten, gegeneinander verschobenen und miteinander verbundenen Hohlwürfeln dar, erhellt vom flackernden Licht einiger spärlicher Feuersphären. Folgte man dieser Reihung von Räumen, öffneten sich nacheinander unvermutete Durchblicke in neue Kammern und Nischen, so dass der Eindruck einer Anzahl separater Bereiche entstand, von denen jeder mit einer eigenen Art von Apparaturen und Arrangements belegt war, die jeweils einem anderen Beschäftigungsfeld anzugehören schienen. Es gab einen Bereich, der voll war mit einem undurchschaubaren Gewirr von Röhren, Kolben und anderen miteinander verbundenen Behältnissen. Flammen erhitzten einige dieser Kolben, Substanzen der unterschiedlichsten Farben und Konsistenzen kochten, kondensierten, tröpfelten in ihnen unablässig vor sich hin. Dies war eindeutig der Bereich, welcher dem physischen Aspekt chemischer Vorgänge gewidmet war. Dann gab es den Bereich, der sich dem mineralischen Reich widmete, den Bildungskräften von Kristallen, ihren Gesetzmäßigkeiten und Wirkungen in andere Reiche hinein, also den physischen Verflechtungen des djuán-hwe. Auch die Anordnungen, die optische Phänomene betrafen, konnte Darachel noch benennen. Bei vielen anderen Bereichen hingegen, musste er aufgeben ihre Natur zu ergründen; seine Kenntnisse reichten hierfür nicht aus.
Der leblose, stark verstümmelte Körper der Kreatur, die sie auf dem Plateau angegriffen hatte, lag aufgespannt auf dem komplex strukturierten Block einer von Nadragírs seltsamen Vorrichtungen, auf ineinander greifenden Walzen mit Zahnrädern, Zylindern und gekrümmten Metallrippen, zur besseren Erreichbarkeit in eine Schräglage gekippt, den Rücken nach hinten gebogen, die Gliedmaßen zur Untersuchung abgespreizt. Der Kunaimra lag dort inmitten eines Gewirrs schwenkbarer Arme mit Greifern, Achsen, Gelenken und Hebelgestänge. Um diese ganze düster schimmernde Maschinerie herum verlief eine Plattform, die man über schmale Treppen erreichen konnte.
Nadragír hatte eine Reihe ähnlich Interessierter und Konstellariumsgeschwistern, die ihm oft hier bei seinen Forschungen Gesellschaft und Hilfe leisteten. Einige davon bewegten sich nun in eifriger Geschäftigkeit auf dem Laufgang um die aufgebahrte Gestalt herum.
„Einiges haben wir bereits herausfinden können. Aber nicht zuletzt sind wir schon auf eine ganze Reihe von Fragen gestoßen.“ Irgendwie machte Nadragír den Eindruck, als seien es gerade diese ungeklärten Fragen, die ihn in helles Entzücken versetzten.
Entgegen der Vorstellung des weltfremden Forschenden mit grüblerischem Blick, den man in solchen Räumlichkeiten vielleicht zu finden erwartete, trug Nadragír seine typische jugendliche Unbeschwertheit zur Schau. Sein lichthelles Haar war wild und ungebändigt zerzaust, und auf seinem Gesicht spiegelte sich ein Zug fuchshafter Neugier.
„Zuerst einmal: Es handelt sich eindeutig um eine künstliche Schöpfung. Dieser Körper ist nicht, so wie er sich uns hier zeigt,
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