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Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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des Langsam-und-Dreckig-Krepierens.“
    Gebleckte schiefe, gelbe Zähne zwischen dünnen, verächtlich verzogenen Lippen.
    „Deine Mutter ist wahrscheinlich krepiert, als sie gesehen hat …“  
    Er sah die Klinge seiner Axt sausen. Sie hackte tief in den Hals des Steinmetzen hinein. Der Steinmetz schaute blöde wie ein Ochse.  
    Vater, jetzt bin ich endlich der Sohn den du verdienst.

    Er saß auf den Dächern, in einem Winkel zwischen zwei Giebeln, der von der Straße aus nicht einsehbar war. Er hatte aus der Konstellation des übrigen Dächergewirrs von der Straße aus diesen Dachwinkel erahnt und ihn dann über die Krone einer Gartenmauer und nach anschließender Kletterpartie erreicht, um dort seine Habseligkeiten zu verstecken. Und jetzt war er nur wenige Stunden später dorthin zurückgekehrt, nachdem er in einem Hinterhof fünf Menschen nach Barbarenart mit einer Axt ermordet hatte.
    Er saß dort im Schneidersitz, den Packen seiner Habseligkeiten, den er wieder zwischen Dachbalken und Schindeln hervorgezogen hatte, auf seinem Schoß ausgerollt. Sein Schwert und der übergroße Ring an der Kette lagen obenauf.
    Ihm wehte ein kühler Nachtwind ins Gesicht, doch tiefer aus den windgeschützten Buchten zwischen den verschachtelten Dächern und Höfen, wo die Luft noch wärmer war und sich letzte Schwärme von Insekten sammelten, hörte er das Flattern von Fledermäusen auf Beutefang, und ab und zu zog eine davon mit fast unhörbaren Zirpen nahe an ihm vorbei.
    Sein Blick versenkte sich in das Schwert auf seinem Schoß, glitt über jeden Fleck, jede Schleifstelle. Er hatte dieses Schwert während der drei Jahre seiner Kampagnenzeit bei den Jungtrupps getragen. Er hatte es regelmäßig geschliffen und geölt. Er hatte es in den Kämpfen bei sich getragen und zu dem Ende benutzt, zu dem Valgaren ihre Waffen verwenden, und hinterher hatte er alle Spuren so gut es ging entfernt. Er kannte also dieses Schwert, wie man es nur irgend kennen konnte, besser als die Linien in seiner Hand.
    Er hatte es hier verstecken müssen, so glaubte er, weil in der Kneipe, die er besuchen wollte, keine Waffen erlaubt waren. Im Nachhinein hatte er erfahren, dass nahezu jede Kneipe mit Waffenverbot eine Kammer hatte, in der man beruhigt seine Waffen abgeben konnte. Der Schankwirt bürgte für ihre Sicherheit mit seiner Existenz, denn der Magistrat, der mit seinem Siegel die Sicherheit der Waffenkammer bezeugte, vergab auch die Schanklizenz und entzog diese sofort, wenn aus der Waffenkammer etwas gestohlen wurde. Wie naiv, wie unwissend er war. Ein ungebildeter Valgare aus dem Nordwesten.
    Aber die Furcht vor Diebstahl war nicht der einzige Grund gewesen, warum er das Schwert mit dem Bündel seiner Habseligkeiten hier versteckt hatte. Scham war ein anderer. Er hatte sich seines Barbarenschwertes geschämt, gefürchtet, dass es alle Blicke auf sich ziehen und ihn, genau wie der Ring, unbarmherzig als unwissenden, hinterwäldlerischen Valgaren brandmarken würde.  
    Wo er doch die Verbindung zu diesem Teil seines Lebens soeben durchtrennt hatte.
    Er hatte die Länder Mittelnaugariens durchwandert, die Morrekai, Vorsekk, Willukra, Balthruk und Baraun, betroffen vom Anblick ihrer unvermuteten Erbärmlichkeit und Primitivität, hatte sich hinkend weitergeschleppt, nachdem er das Pferd schon bald hatte verkaufen müssen, hatte gefiebert vom Blutverlust und der Entzündung der Wunde, zitternd, auf der Schwelle zwischen Leben und Tod, verborgen in Ställen geschlafen, wie ein verwunderter Wolf, der die Menschen flieht, sich, als das Schlimmste schließlich überstanden schien, wieder aufgerappelt und war weitergewankt. All das immer mit dem Strom der Worte auf den Lippen, der seit seiner Kindheit von seiner Mutter auf ihn übergegangen war. Mit den Geschichten, Gesängen und Annalen aus der Literatur, die das Erbe seiner Mutter war, hatte er einen neuen, den wirklichen Auric herbeibeschworen. Genau wie er in seiner Zeit in den Jungtrupps die Texte von Epokrav, Murinja und Torarea sich immer und immer wieder in Gedanken vorgesprochen hatte, um die Gesichter der Toten abzuwehren, so hatte er auf seiner Reise mit jeder Meile, die er zurücklegte, fort von Valgarien, mit jedem Schritt Idirium ein Stück näher, die Worte und Zeilen und Kapitel aus den Historien , aus den Annalen , aus dem Ring der Neun still für sich deklamiert, sie durch seinen Geist gleiten lassen wie die Perlen einer Gebetskette, bis ihre Beschwörungen in seinem Hirn

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