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Ninragon - Homunkulus

Ninragon - Homunkulus

Titel: Ninragon - Homunkulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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stand noch immer an der Balustrade und blickte hinab. »Als er eröffnet wurde. Direkt nach dem Umbau.« Er wandte sich zu ihnen um. »Mann, das war vielleicht ein Spektakel. Überall Fahnen und Banner, Musik, Blumengirlanden. Die Moridians auf der Ehrentribüne. Mit all dem anderen feinen Pack, das sich feierte, weil es glaubte Rhun könnte jetzt endgültig gegen das ferne, hehre Idirium anstinken. Und die schon den Strom der Pragta prasseln hörten, die ihnen das Projekt Kupfergraben, in das sie alle fleißig investiert hatten, in die Börsen bringen würde.«
    Er schnaufte, grinste sie an, fuhr sich mit der Hand über die Mundpartie, das unrasierte Kinn herab, in das die ersten Kerben des Reifens sich gemeißelt hatten.
    »Tja«, meinte er, »was so ein paar Jahre des Raubbaus und des schnellen Lebens mit einer vielversprechenden Meile anrichten können.«
    Er stand vor der Straßenschlucht, den Ausblick auf die andere Seite der zweiten Straßenebene in seinem Rücken. Ein bisschen selbstgefällig schon, wie er sich streckte, fand sie. Aber immer noch sexy. Hatte sie nie so gesehen, so eng, wie sie zusammen gearbeitet hatten. Aber sie konnte sich vorstellen, dass noch immer eine Menge Weibsvolk auf ihren verrucht schneidigen Korporal abfuhr. Er redete nie von seinem Privatleben, aber man kriegte ja so ein paar Sachen am Rande mit.
    »Die Spuren der Zeit«, meinte sie lakonisch, als er zu ihnen aufschloss, blickte an ihm vorbei noch einmal die Flucht des Kupfergrabens entlang. Papierfetzen und Blätter fegten im Wind über die Balustrade zur zweiten Ebene, auf der sie standen. Kalte Herbstböen von Westen her.
    Tja, Läden, Etablissements und teure Wohnungen auf zwei Ebenen, eine breite Schlucht der Pracht und des Prunks, die sich durch den oberen Bereich des Stadtteils Ost-Rhun kerbte. Noch immer war der Kupfergraben als Bauwerk beeindruckend, aber die angesagte Meile in Rhun war er lange nicht mehr. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit war weitergewandert, hatte sich sich andere Reviere und Viertel auserkoren.
    »Na gut«, meinte sie und riss sich von dem Anblick los. »Du weisst, wo es langgeht, Sandros?«
    »Wohnung im vierten Stock, zweite Ebene, Hinterhaus«, entgegnete Sandros und ging schon auf die schmale Treppe zu, die steil in der engen Schlucht zwischen zwei Häuserfronten aufwärts führte. »Chik wird schon da sein und schaut sich den Tatort an.«
    Und nicht nur Chik war da und erwartete sie, als sie schließlich die Stiege bis fast unters Dach hochgeklettert waren. Durch die Flucht der Wohnungstüren und des engen Flures lugte ebenfalls ein hageres von Kinphaurentinte gezeichnetes Gesicht hervor.
    »Was macht der denn hier«, meinte Sandros, sich dezent zu ihr hindrehend. »Hieß es nicht, wir gehen hier alleine hin. Wer hat dem denn was gesteckt?«
    Das war nun wirklich ungünstig. Gerade wo Banátrass sie energisch von der Sache zurückgepfiffen hatte. Und auch Choraik – so ein Zufall – vorher schon seinem Missfallen Ausdruck verliehen hatte. Da war doch glatt davon auszugehen, dass die beiden miteinander kurzgeschlossen waren und die Nachricht von dieser Sache hier schnurstracks bei ihrem Ordenshauptmann landen würde.
    Und ihr Glücksgriff war für den Wind und die Tauben.
    »Scheiße«, zischte sie halblaut durch die Zähne vor sich hin, wollte sich durch den Flur und in die Wohnung drängen und Herrn Zwei-Monde-Speer schon ihr blankestes, feindseliges Lächeln zuwerfen, als sie sich umschaute und ihr dämmerte, dass hier irgendein Lächeln, welcher Art auch immer, vollkommen fehl am Platze war.
    Das Opfer war kaum ansprechbar. Und ihr Ehemann war es auch nicht.
    Sie war schon oft an Orten gewesen, wo es einen Todesfall in der Familie gegeben hatte, meist gewaltsamer Natur. Oft in fragwürdigem Milieu. Halbwelt und so. Kaputte Existenzen. Wo oft ein ungezügeltes Auf und Ab von Leidenschaft, Begierden und Schicksalsschlägen die Seelen und Gesichter ausgebrannt hatte. Aber ein Blick in die Züge des Mannes sagte ihr, dass der Fall hier etwas anders lag.
    Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber sie spürte, wie sie innerlich erstarrte.
    Als hätte jemand Klann die Nachricht gebracht, dass sie im Einsatz ums Leben gekommen wäre.
    Dunkles, gepflegtes Haar. Der Mann sah nicht dumm aus. Ihm stand die Bildung ins Gesicht geschrieben. Klare Züge, gerade Nase. Na ja, vielleicht nicht das stärkste Kinn. Dunkle Augen, in denen eine wache Intelligenz schlummern mochte. Jetzt sah er

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