Nippon-Connection
vergeben, damit die Defizite in deren Bilanzen auftauchen und nicht in der japanischen. Sie haben mehr Orangen und Bauholz gekauft, damit das Ganze ein bißchen besser aussieht. Im Grunde behandeln sie uns wie ein unterentwickeltes Land. Sie importieren unsere Rohstoffe, aber unsere Fertigerzeugnisse kaufen sie nicht. Sie sagen, wir würden nichts herstellen, was sie brauchen können.«
»Vielleicht stimmt das, Ken.«
»Das glaubst du doch wohl selbst nicht!« Er seufzte. »Aber ich weiß nicht, ob das die Öffentlichkeit überhaupt interessiert. Das ist wirklich die Frage. Wahrscheinlich sind den Leuten sogar die Steuern egal.«
Ich hatte das Gefühl, nicht ganz mitzukommen. »Die Steuern?«
»Wir machen gerade eine große Serie über die Steuern. Die Regierung hat endlich kapiert, daß japanische Firmen hier Riesengeschäfte tätigen, aber nicht viel Steuern in Amerika zahlen. Manche bezahlen gar keine, und das ist wirklich lachhaft. Sie steuern ihre Profite, indem sie die japanischen Halbfertigprodukte überteuern, die ihre amerikanischen Montagebetriebe importieren. Es ist empörend, aber die amerikanische Regierung war noch nie schnell bei der Sache, wenn es darum ging, Japan zu bestrafen. Und die Japaner geben in Washington jährlich eine halbe Milliarde aus, um jedermann ruhigzustellen.«
»Aber ihr wollt eine Story über die Steuern bringen?«
»Ja. Und wir werden uns auch Nakamoto ganz genau ansehen. Meine Informanten haben mir erzählt, daß Nakamoto mit einer Anklage wegen Preisabsprache rechnen muß. Preisabsprache ist das A und O japanischer Unternehmen. Ich habe hier eine Liste mit Firmen, die entsprechende Prozesse abgebogen haben: einundneunzig Nintendo wegen Preisabsprache bei Computerspielen, Mitsubishi ebenfalls einundneunzig wegen Preisabsprache bei Fernsehgeräten, neunundachtzig Panasonic, siebenundachtzig Minolta. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, verstehst du?«
»Dann ist es ja gut, daß ihr die Story bringt.«
Ken hüstelte. »Möchtest du eine Stellungnahme abgeben über diese Vietnamesen, die japanisch sprechen?«
»Nein.«
»Wir sitzen doch alle im selben Boot«, sagte Ken.
»Ich glaube nicht, daß es gut wäre.«
Ich aß mit Connor in einer Sushi-Bar in Culver City zu Mittag. Als wir vor dem Lokal vorfuhren, befestigte gerade ein Mann ein Schild mit der Aufschrift Geschlossen an der Tür. Als er Connor sah, drehte er es sofort wieder um: Geöffnet.
»Die kennen mich hier«, sagte Connor.
»Sie meinen, sie mögen Sie.«
»Das ist schwer zu sagen.«
»Sind sie auf Sie als Kunden angewiesen?«
»Nein«, sagte Connor. »Hiroshi würde bestimmt lieber zumachen. Es bringt ihm nichts ein, seine Leute für nur zwei gaijinGäste weiterarbeiten zu lassen. Aber ich komme oft hierher, und aus diesem Grund erweist er mir die Ehre. Mit Geschäft oder Sympathie hat das eigentlich nichts zu tun.«
Wir stiegen aus.
»Die Amerikaner verstehen das nicht«, fuhr Connor fort. »Das japanische System ist eben völlig anders.«
»Na, ich glaube, allmählich beginnen sie es zu verstehen«, wandte ich ein. Ich erzählte ihm von Ken Shubiks Story über die Preisabsprachen.
Connor seufzte. »Es ist wirklich billig zu behaupten, die Japaner seien unehrlich. Sie sind nicht unehrlich - sie spielen nur nach anderen Regeln. Das kapieren die Amerikaner einfach nicht.«
»Schön und gut«, sagte ich. »Aber Preisabsprachen sind nun mal illegal.«
»In Amerika, ja. Aber in Japan ist so was ein ganz normaler Vorgang. Denken Sie daran, kōhai: Japan ist völlig anders. Geheimabsprachen sind dort gang und gäbe. Der Nomura-Aktienskandal hat das deutlich gezeigt. Die Amerikaner sehen Geheimabsprachen unter einem moralistischen Gesichtspunkt, anstatt sie einfach als eine andere Art des Geschäftemachens zu betrachten. Denn etwas anderes sind sie nicht.«
Wir betraten die Sushi-Bar. Wieder einmal gab es jede Menge Verbeugungen und Begrüßungsformeln. Connor sprach japanisch. Wir setzten uns an die Bar, aber wir bestellten nichts.
»Sollen wir nichts bestellen?« fragte ich.
»Nein. Das käme einer Beleidigung gleich. Hiroshi wird für uns entscheiden, was wir essen wollen.«
Wir saßen also an der Theke, und Hiroshi kam mit den Gerichten. Wir sahen ihm zu, wie er den Fisch schnitt.
Das Telefon klingelte. Vom anderen Ende des Lokals rief ein Mann: »Connor-san, onna no hito ga mattem to ittemashita yo.«
»Dōmo«, sagte Connor nickend. Er sah mich an und stand auf. »Wir werden wohl doch
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