Nippon-Connection
ihm der Portier gegeben hatte. Wir gingen hinein.
Es war eine Drei-Zimmer-Wohnung, ausgestattet mit teuren, viel zu großen Leihmöbeln in Pink und Pastellgrün. Auch die Ölbilder an den Wänden waren geleast; auf einem kleinen Schild an einer der Rahmenleisten stand BREUNER’S RENTS. Auf der Küchentheke war nur eine Schale mit Obst zu sehen. Im Kühlschrank fand sich nichts außer Joghurtbechern und Cola-Light-Dosen. Die Sofas im Wohnzimmer sahen nicht so aus, als hätte jemals ein Mensch auf ihnen gesessen. Auf dem Couchtisch lag ein Bildband mit Porträts von Hollywood-Stars, daneben stand eine Vase mit vertrockneten Blumen. Im ganzen Raum waren leere Aschenbecher verteilt.
Das eine der beiden Schlafzimmer war zu einem Aufenthaltsraum umfunktioniert worden, mit einer Couch und einem Fernseher und einem Home-Trainer in der Ecke. Alles war nagelneu. Über einem Eck des Bildschirms klebte ein großer Sticker, auf dem Digital Tuning Feature stand. Die Lenkstange des Home-Trainers war noch mit einer Plastikverpackung umhüllt.
Erst im großen Schlafzimmer stieß ich auf ein bißchen menschliche Unordnung. Eine Tür des Spiegelschranks stand offen, und auf dem Bett lagen drei teure Cocktailkleider. Offenbar hatte sie sie anprobiert, um zu entscheiden, was sie tragen solle. Auf der Frisierkommode standen Parfumflacons, gerahmte Fotografien und ein Aschenbecher mit Mild-Seven-Menthols-Kippen; daneben lagen ein Diamanthalsband und eine goldene Rolex. Die oberste Schublade der Kommode, in der sich Schlüpfer und andere Unterwäsche befanden, war ein Stück herausgezogen. In einer Ecke sah ich Cheryl Austins Paß liegen und blätterte ihn durch: ein Visum für Saudi-Arabien, eines für Indonesien, drei Visa für Japan.
Die Stereoanlage in der Ecke war noch angeschaltet; aus dem Recorder ragte eine Kassette. Ich drückte sie hinein, und Jerry Lee Lewis begann zu singen: »You shake my nerves and you rattle my brain, too much of love drives a man insane …« Texas-Musik, eigentlich viel zu altbacken für ein so junges Mädchen. Aber vielleicht stand sie auf die guten alten Songs.
Ich sah mir die Frisierkommode noch einmal etwas genauer an. Auf einigen der gerahmten Farbfotos war eine lächelnde Cheryl Austin in Asien zu sehen: vor dem roten Tor eines Tempels, in einem Klostergarten, in einer Straße mit grauen Wolkenkratzern, auf einem Bahnsteig. Die Fotos waren offensichtlich in Japan aufgenommen worden. Die meisten zeigten Cheryl allein, aber auf einigen war sie in Begleitung eines älteren Japaners mit Brille und hoher Stirn. Eines der Bilder zeigte sie in einer Landschaft, die auf den Westen der Vereinigten Staaten schließen ließ. Cheryl stand lächelnd vor einem schmutzigen Kleinlaster, neben sich eine gebrechliche, großmütterlich wirkende Frau mit Sonnenbrille. Die alte Frau lächelte nicht und sah überhaupt eher unbehaglich drein.
Neben der Frisierkommode lehnten an der Wand lange Papierrollen - mehrere Exemplare eines Posters von Cheryl im Bikini: Sie hielt lachend eine Flasche Asahi-Bier hoch. Die Beschriftung war ausschließlich japanisch.
Ich ging ins Badezimmer.
In einem Eck lag eine Jeans, auf der Waschbeckentheke ein weißer Pullover. An einem Haken vor der Duschkabine hing ein feuchtes Handtuch. In der Dusche selbst waren noch Wassertropfen zu sehen. Ein ausgeschaltetes Gerät mit elektrischen Lockenwicklern stand neben dem Waschbecken. Im Spiegelrahmen steckten Fotos von Cheryl und einem anderen Japaner am Pier von Malibu, einem ziemlich gutaussehenden Mann Mitte dreißig. Auf einem der Bilder hatte er ihr liebevoll den Arm um die Schulter gelegt. Die Narbe an seiner Hand war deutlich zu sehen.
»Bingo!« sagte ich.
Connor trat ins Badezimmer. »Etwas gefunden?«
»Unseren Mann mit der Narbe.«
»Gut.« Er sah sich das Foto gründlich an. Ich warf noch einmal einen Blick auf das Durcheinander im Bad, auf die Gegenstände am Waschbecken. »Wissen Sie«, sagte ich, »irgend etwas stört mich hier.«
»Was denn?«
»Ich weiß, daß sie nicht lange hier gewohnt hat, und ich weiß auch, daß das ganze Zeug nur geliehen ist … aber trotzdem, ich kann mir nicht helfen, ich habe das Gefühl, daß alles hier irgendwie arrangiert wirkt. Aber ich komme nicht darauf, warum.«
Connor lächelte. »Ausgezeichnet, Lieutenant. Es wirkt tatsächlich alles ›irgendwie arrangiert‹. Und es gibt auch einen Grund dafür.«
Er gab mir ein Polaroidfoto, auf dem das Badezimmer zu sehen war, in dem wir gerade
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