Nippon-Connection
einem schwarzen Cocktailkleid neben einem gutaussehenden Mann im dunklen Anzug.
»Holla!« sagte Jenny. »Wollen Sie wissen, wer er ist oder wer sie ist?«
»Wer sie ist.«
»Lassen Sie mich mal nachdenken! Seit ungefähr neun Monaten sehe ich sie bei Partys mit den Typen aus Washington. Sie ist die Kelly Emberg dieses Jahres. Der eher athletische Model-Typ. Kommt auch aus Texas, glaube ich. Aber eleganter, eher Richtung Tatiana. Sie heißt … Austin. Cindy Austin, Carrie Austin … Cheryl Austin, das ist es!«
»Wissen Sie sonst noch etwas über sie?« fragte ich.
Jenny schüttelte den Kopf. »Also, daß mir der Name eingefallen ist, war doch schon mal nicht schlecht, oder? Von dieser Sorte tauchen ständig neue auf. Sechs Monate oder ein Jahr lang sieht man sie überall, und dann sind sie von der Bildfläche verschwunden. Kein Mensch weiß, wohin. Wer kann das schon mitverfolgen?«
»Und ihr Begleiter?«
»Richard Levitt, plastischer Chirurg. Operiert viele große Stars.«
»Was hat der dort zu suchen?«
Jenny zuckte mit den Achseln. »Er ist überall dabei. Wenn die Stars jemanden brauchen, springt er ein, das tun viele von diesen Typen. Wenn sich eine seiner Patientinnen scheiden läßt oder so, begleitet er sie in der Öffentlichkeit. Wenn er nicht gerade mit einer Kundin ausgeht, nimmt er sich ein Model, eine wie die da. Machen sich ja auch prächtig zusammen, die beiden!«
Auf dem Monitor schritten Cheryl und ihr Begleiter nun ruckartig auf uns zu: alle dreißig Sekunden ein Einzelbild. Sie gingen langsam und sahen einander kein einziges Mal an. Cheryl wirkte angespannt, erwartungsvoll.
Jenny Gonzales sagte: »Um einen Chirurgen und ein Model geht es also. Darf ich fragen, warum Sie sich ausgerechnet für die beiden so wahnsinnig interessieren? Ich meine, an einem solchen Abend sind das doch nur Nebenfiguren.«
»Sie ist heute abend ermordet worden«, sagte Connor.
»Ach, die ist das? Interessant.«
»Sie haben von dem Mord gehört?« fragte ich.
»Ja, klar.«
»Wurde in den Nachrichten darüber berichtet?«
»Nein, kam nicht mehr rechtzeitig für die Elf-Uhr-Sendung rein«, sagte Jenny. »Und morgen wird es wahrscheinlich auch nicht gebracht. Ist ja im Grunde auch keine richtige Story.«
»Wieso denn nicht?« fragte ich mit einem Seitenblick auf Connor.
»Na, was soll denn das Sensationelle an der Sache sein?«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Die von Nakamoto würden sagen, es sei nur deshalb interessant, weil es bei ihrem Eröffnungsfest passiert ist. Sie würden sich auf den Standpunkt stellen, daß jede Berichterstattung darüber ein schlechtes Licht auf sie wirft. Wenn dieses Mädchen auf dem Freeway umgekommen wäre, würde das keiner für die Nachrichten wert halten. Wenn sie bei einem Raubüberfall in einem Laden getötet worden wäre, käme das auch nicht im Fernsehen. So was passiert hier drei-, viermal pro Nacht. Und daß sie bei einer Party umgebracht worden ist - wen interessiert das schon? Auch das ist noch keine Meldung wert. Sie ist zwar jung und hübsch, aber nichts Besonderes. Sie spielt nicht in einer Fernsehserie mit oder so.«
Connor blickte auf seine Armbanduhr. »Können wir uns die anderen Bänder auch ansehen?«
»Das Material von der Party? Klar. Suchen Sie speziell nach diesem Mädchen?«
»Ja.«
»Okay.« Sie schob die dritte Kassette ein.
Wir sahen Aufnahmen von der Party im fünfundvierzigsten Stock: die Bigband, tanzende Menschen unter einer prächtigen Dekoration. Wir bemühten uns, in dem Gedränge einen Blick auf das Mädchen zu erhaschen. Jenny sagte: »In Japan müßten wir das nicht mit unseren eigenen Augen machen. Die Japaner verfügen mittlerweile über eine ziemlich ausgeklügelte Video-Suchsoftware. Es gibt da ein Programm, mit dem man eine bestimmte Aufnahme, sagen wir von einem Gesicht, markiert, und dann wird das ganze Band automatisch danach abgesucht. Damit findet man jede Aufnahme dieses Gesichts, auch in einer Menschenmenge, wo immer es auftaucht. Das Programm sieht das Einzelbild eines dreidimensionalen Objekts und erkennt dasselbe Objekt in anderen Perspektiven wieder. Ziemlich raffiniert. Aber langsam.«
»Wundert mich, daß Ihr Sender das nicht hat.«
»Ach, das darf hier gar nicht verkauft werden. Die allerneueste japanische Videotechnologie ist bei uns gar nicht erhältlich. Die halten uns absichtlich drei bis fünf Jahre hinterm Mond. Ist auch ihr gutes Recht. Schließlich ist es ihre Technologie, damit können sie machen,
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