Nippon-Connection
Videorecorder. Die Kabel ließen sich an einen Fernseher anschließen.
»Gut«, sagte ich. »Dann schauen wir uns das mal an!«
Das erste Band mit Aufnahmen aus der sechsundvierzigsten Etage stammte von der Kamera, die hoch oben an der Decke des Atriums angebracht war. Man sah in Schwarzweiß Menschen, die dort an einem offensichtlich normalen Bürotag arbeiteten. Wir schalteten auf Schnellauf. Auf dem Boden bildete das Sonnenlichtgeschwungene Schatten, die schließlich verschwanden. Das Licht in der Etage wurde immer schwächer und gedämpfter, während der Tag sich seinem Ende zuneigte. Immer mehr Schreibtischlampen wurden angeschaltet. Die Angestellten bewegten sich jetzt langsamer, schließlich standen sie nach und nach von ihren Schreibtischen auf und gingen. Während es immer weniger wurden, fiel uns etwas auf: Die Kamera bewegte sich jetzt gelegentlich, schwenkte auf den einen oder anderen Angestellten, der unter ihr gerade vorbeiging, auf andere dagegen nicht. Schließlich wurde uns klar, daß die Kamera mit automatischer Scharf-und Sucheinstellung ausgestattet war. Wenn im Bildausschnitt viel Bewegung herrschte - wenn zum Beispiel mehrere Leute in verschiedene Richtungen gingen -, rührte sich die Kamera nicht. Wenn es dagegen im Bildausschnitt ruhig war, fixierte die Kamera Einzelpersonen, die durchgingen, und verfolgte sie auf ihrem Weg.
»Komisches System«, sagte Graham.
»Ist wahrscheinlich sinnvoll bei einer Überwachungskamera«, sagte ich. »Eine Einzelperson ist wohl problematischer als mehrere Menschen auf einmal.«
Wir sahen, daß man die Nachtbeleuchtung eingeschaltet hatte. Alle Schreibtische waren leer. Plötzlich begann das Bild zu flackern, fast wie bei einem Blitzlichtgewitter.
»Stimmt etwas nicht mit dem Band?« fragte Graham miß-trauisch.
»Haben die da dran rumgefummelt?«
»Ich weiß nicht. Nein, warte mal! Das ist es nicht. Schau mal die Uhr an!«
An der gegenüberliegenden Wand sahen wir die Bürouhr. Der Minutenzeiger bewegte sich rasch von halb acht auf acht Uhr.
»Zeitraffer.«
»Was heißt das? Nehmen sie da nur einzelne Bilder auf?«
Ich nickte. »Wenn das System eine Zeitlang niemanden sieht, beginnt es wahrscheinlich alle zehn oder zwanzig Sekunden Einzelaufnahmen zu machen, bis …«
»Hey, was ist das?«
Das Flackern hatte aufgehört. Die Kamera machte einen Schwenk nach rechts über die leere Etage hinweg. Aber es war niemand zu sehen. Nur leere Schreibtische und hier und da ein aufleuchtendes Nachtlämpchen.
»Vielleicht haben sie einen Weitensensor, der über den Bildrand hinaussieht«, sagte ich. »Entweder das, oder die Kamera wird manuell gesteuert. Von einem Wachmann, der irgendwo sitzt, vielleicht unten im Sicherheitsbüro.«
Der Schwenk endete vor den Lifttüren. In tiefem Schatten waren sie ganz rechts im Bild zu sehen. Etwas, das wie ein Stück der Deckenverkleidung aussah, versperrte die Sicht.
»Mensch, das ist vielleicht dunkel. Ist da jemand?«
»Ich sehe nichts.«
Das Bild wurde abwechselnd unscharf und scharf.
»Was ist denn jetzt los?« sagte Graham.
»Offenbar funktioniert die Scharfeinstellung nicht. Vielleicht kann sich die Kamera nicht entscheiden, was sie aufnehmen soll. Vielleicht werden die Impulse durch den hereinragenden Teil der Decke gestört. Bei meiner Videokamera daheim passiert das auch immer wieder. Das Bild wird unscharf, wenn das Objektiv nicht weiß, was genau es aufnehmen soll.«
»Du meinst, die Kamera versucht, irgend etwas zu fixieren? Ich sehe nämlich nichts. Ist alles schwarz da unten.«
»Nein, schau! Da ist etwas. Man kann weiße Beine erkennen, ganz schwach.«
»Mensch!« sagte Graham. »Das ist unser Mädchen. Sie steht am Aufzug. Nein, warte, jetzt bewegt sie sich.«
Einen Augenblick später trat Cheryl Lynn Austin unter dem ins Bild ragenden Teil der Deckenverkleidung hervor. Wir konnten sie nun deutlich erkennen.
Sie war schön und selbstbewußt. Ohne zu zögern betrat sie den Raum. Sie wirkte zielstrebig und entschlossen und bewegte sich ganz ohne die durch Lässigkeit kaschierte Unsicherheit vieler junger Leute.
»Mensch, sieht die gut aus!« sagte Graham.
Cheryl Austin war groß und schlank, ihr kurzes blondes Haar ließ sie noch größer erscheinen. Sie hielt sich sehr gerade. Sie drehte sich langsam um und betrachtete den Raum, als gehöre er ihr.
»Ich kann es nicht fassen, daß wir das tatsächlich sehen«, flüsterte Graham.
Ich wußte, was er damit sagen wollte. Dieses Mädchen war
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