Nippon-Connection
angerufen.« Plötzlich klang ihre Stimme weicher. »Paß auf dich auf, Peter!«
Dann hörte ich nur noch ein Knacken.
»Daddy?«
»Einen Augenblick, Shel.«
»Darf ich Zeichentrickfilme anschauen?«
»Klar, mein Liebling.«
Ich schaltete auf einen Sender, der Zeichentrickfilme brachte, und ging in den Flur. Dort öffnete ich die Eingangstür und hob die Times vom Fußabstreifer auf. Es dauerte eine Weile, bis ich den Artikel gefunden hatte; er stand auf der letzten Seite des Lokalteils.
POLIZEI WIRD RASSISTISCHES VERHALTEN BEI JAPANISCHEM FEST VORGEWORFEN Ich überflog den ersten Absatz. Japanische Vertreter der Nakamoto Corporation hatten sich über das »instinktlose und unsensible« Verhalten der Polizei beschwert, durch das die Eröffnungs-Fete mit den vielen Stars im neuen Wolkenkratzer an der Figueroa Street stark beeinträchtigt worden sei. Einer der Repräsentanten von Nakamoto äußerte die Ansicht, das Vorgehen der Polizei habe »rassistische Gründe«. Ein Sprecher sagte: »Wir glauben, daß sich die Polizei in Los Angeles anders benehmen würde, wenn es sich nicht um eine japanische Firma handelte. Die Vorgehensweise der Polizei ist der Beweis dafür, daß Japaner von den amerikanischen Behörden anders behandelt werden als Amerikaner.« Mr. Hiroshi Ogura, Vorstandsvorsitzender von Nakamoto, hatte an dem Eröffnungsempfang, bei dem Stars wie Madonna und Tom Cruise erschienen waren, ebenfalls teilgenommen, war jedoch nicht zu einem Kommentar über den Vorfall bereit. Ein Sprecher erklärte: »Mr. Ogura ist zutiefst darüber empört, daß das aggressive Vorgehen der Behörden die Festivität gestört hat, und bedauert den unangenehmen Zwischenfall außerordentlich.«
Zeugen berichteten, Bürgermeister Thomas habe eine Mitarbeiterin zu Verhandlungen mit der Polizei geschickt, allerdings erfolglos. Die Polizei habe ihr Verhalten nicht geändert, obwohl der für Japaner zuständige Kontakt-Officer, Lieutenant Peter Smith, anwesend gewesen sei, zu dessen Aufgaben es gehöre, heikle Situationen, in die Angehörige verschiedener Nationalitäten verwickelt sind, zu entschärfen … Und so weiter.
Man mußte ganze vier Absätze hinter sich bringen, bis man erfuhr, daß ein Mord begangen worden war. Dieses spezielle Detail schien fast unwichtig zu sein.
Ich warf einen Blick auf den Vorspann. Der Bericht stammte vom City News Service, war also ohne Nennung eines Verfassers.
Ich war so wütend, daß ich beschloß, einen alten Bekannten bei der Times, Kenny Shubik, anzurufen. Ken war der Chefreporter des Lokalteils. Er war schon seit einer Ewigkeit bei der Zeitung und wußte alles, was in der Stadt vorging. Weil es erst acht Uhr morgens war, rief ich ihn unter seiner Privatnummer an.
»Ken? Hier spricht Peter Smith.«
»Ach, hallo«, sagte er. »Gut, daß du meine Nachricht erhalten hast.«
Im Hintergrund hörte ich die Stimme eines jungen Mädchens: »Ach, komm, Dad! Warum darf ich denn nicht hingehen?«
Ken sagte: »Jennifer, laß mich bitte in Ruhe telefonieren!«
»Welche Nachricht?« fragte ich.
»Ich habe dich gestern nacht angerufen, weil ich fand, daß du es sofort erfahren solltest. Offenbar hat er einen heißen Tip bekommen. Aber hast du eine Ahnung, was dahintersteckt?«
»Hinter was denn?« Ich wußte nicht, wovon er sprach. »Tut mir leid, Ken, ich habe deine Nachricht nicht erhalten.«
»Wirklich? Ich hab’ dich gestern gegen halb zwölf angerufen. Das Mädchen in eurer Zentrale sagte, du seist in einem Mordfall unterwegs, aber du hättest Autotelefon. Ich sagte ihr, daß es wichtig sei, und daß du mich, wenn nötig, daheim anrufen kannst. Ich dachte mir nämlich, daß es dich interessiert.«
Das Mädchen im Hintergrund sagte: »Dad, jetzt sag schon! Ich muß doch überlegen, was ich anziehen soll!«
»Verdammt noch mal, Jennifer!« schimpfte Ken. »Gib endlich Ruhe!« Zu mir sagte er: »Du hast doch auch eine Tochter, oder?«
»Ja«, antwortete ich, »aber die ist erst zwei.«
»Du wartest jetzt einen Augenblick!« sagte Ken. »Also, Pete, du hast meine Nachricht tatsächlich nicht erhalten?«
»Nein. Ich rufe wegen etwas anderem an, und zwar wegen der Story, die heute in der Zeitung steht.«
»Welche Story?«
»Der Artikel über die Nakamoto-Party auf Seite acht, über das ›instinktlose‹ und ›rassistische‹ Verhalten der Polizei.«
»Also, ich wußte gar nicht, daß wir gestern eine Nakamoto-Story ins Blatt gesetzt haben. Ich weiß, daß Jody darüber berichten
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