Nippon-Connection
aus und warf beides auf den Fernseher. Dann legte ich mich auf den Rücken und dachte, daß ich auch das Hemd ausziehen sollte; es war verschwitzt und dreckig und klebte mir geradezu am Körper.
Nur für einen Moment schloß ich die Augen und ließ den Kopf aufs Kissen sinken. Dann spürte ich einen stechenden Schmerz - irgend etwas zerrte an meinen Lidern. Ich hörte ein zwitscherndes Geräusch und dachte einen alptraumhaften Moment lang, Vögel würden mir die Augen aushacken.
Jemand sagte: »Mach die Augen auf, Daddy! Mach die Augen auf!«
Es war meine Tochter, die mir mit spitzen Fingern die Lider zu heben versuchte.
»Uaaah.« Ich rollte mich zur Seite und begrub das Gesicht im Kissen.
»Daddy? Mach die Augen auf! Mach doch die Augen auf, Daddy!«
»Daddy ist erst ganz spät nach Hause gekommen«, brummte ich.
»Daddy ist müde.«
Ihr war das egal. »Daddy, mach die Augen auf! Machst du jetzt die Augen auf! Mach endlich die Augen auf!«
Ich wußte, daß sie das so lange wiederholen würde, bis ich entweder durchdrehte oder aber die Augen öffnete. Ich wälzte mich auf den Rücken und hustete. »Daddy ist noch müde, Shelly. Schau doch mal nach, was Mrs. Ascenio macht!«
»Daddy, mach die Augen auf!«
»Kannst du Daddy nicht noch eine Weile schlafen lassen? Daddy will heute ein bißchen länger schlafen.«
»Es ist Tag, Daddy. Mach die Augen auf! Mach die Augen auf!«
Ich öffnete die Augen. Sie hatte recht. Es war Tag.
Mist!
Der zweite Tag
»I ß deine Pfannkuchen!«
»Ich will nichts mehr.«
»Nur noch einen Bissen, Shelly!« Das Sonnenlicht strömte durchs Küchenfenster. Ich gähnte. Es war sieben Uhr morgens.
»Kommt Mommy heute?«
»Lenk nicht ab! Komm, Shel, nur noch einen einzigen Bissen, ja?«
Wir saßen an ihrem Kindertisch in der Küchenecke. Manchmal bringe ich sie dazu, an dem kleinen Tisch etwas zu essen, wenn sie am großen nichts essen will. Aber heute hatte ich nicht viel Glück damit. Michelle blickte mich unverwandt an.
»Kommt Mommy heute?«
»Ich glaube schon, aber ich weiß es nicht genau.« Ich wollte sie nicht enttäuschen. »Wir müssen noch warten, bis sie anruft.«
»Fährt Mommy wieder woanders hin?«
»Vielleicht«, sagte ich. Ich überlegte, was »woanders hinfahren« wohl für eine Zweijährige bedeutete, was sie sich darunter vorstellte.
»Fährt sie mit Onkel Rick weg?«
Wer ist Onkel Rick? Ich hielt Michelle die Gabel vor den Mund.
»Ich weiß nicht, Shel. Jetzt komm, mach den Mund auf! Nur noch einen Bissen!«
»Er hat ein neues Auto«, sagte Michelle feierlich nickend, wie immer, wenn sie mir wichtige Neuigkeiten erzählte.
»Ah, wirklich?«
»Mhm. Ein schwarzes.«
»Ach so. Und was für ein Auto ist das?«
»Zedes.«
»Ein Sedes?«
»Nein, Zedes.«
»Du meinst, einen Mercedes?«
»Mhm. Einen schwarzen.«
»Das ist fein.«
»Wann kommt Mommy?«
»Noch einen Bissen, Shel!«
Sie öffnete den Mund, und ich rückte mit der Gabel vor, aber im allerletzten Augenblick wandte Michelle den Kopf zur Seite und machte einen Schmollmund. »Nein, Daddy!«
»Na gut. Ich geb’s auf.«
»Ich habe keinen Hunger, Daddy.«
»Das sehe ich.«
Mrs. Ascenio räumte noch die Küche auf, bevor sie in ihre eigene Wohnung zurückging. In einer Viertelstunde würde meine Haushälterin Elaine kommen, um Michelle zum Kindergarten zu bringen. Ich mußte das Kind noch anziehen. Ich stellte gerade Michelles Teller mit den Pfannkuchen in die Spüle, als das Telefon klingelte. Es war Ellen Farley, die Pressedame des Bürgermeisters.
»Siehst du es dir gerade an?«
»Was denn?«
»In den Nachrichten, Kanal sieben. Die bringen gerade den Unfall.«
»Wirklich?«
»Ruf mich zurück!« sagte sie.
Ich ging ins Schlafzimmer und schaltete den Fernseher ein.
Gerade sagte jemand: »… eine rasante Verfolgungsjagd auf dem Hollywood-Freeway in südlicher Richtung, der damit endete, daß der Verdächtige mit seinem Ferrari gegen die Mauer der Vine-Street-Überführung unweit der Hollywood Bowl prallte. Zeugen berichten, der Wagen sei mit einer Geschwindigkeit von über hundertsechzig Stundenkilometern gegen den Betonwall gerast und sofort in Flammen aufgegangen. Obwohl die Feuerwehr umgehend eintraf, konnte der Fahrer nur noch als Leiche aus dem Wrack geborgen werden. Der Tote war so stark verbrannt, daß seine Brillengläser geschmolzen waren. Der für die Verfolgungsjagd verantwortliche Officer, Detective Tom Graham, sagt, der Fahrer, Mr. Edward Sakamura, sei in
Weitere Kostenlose Bücher