Nippon-Connection
der Times verachteten ihn.
Ken und ich verdrückten uns in den Mittelgang. Ich folgte Ken, der auf die Kaffeemaschinen zuging, dann aber in die Bibliothek abbog. In der Mitte der Etage befand sich eine Bibliothek, die größer und besser ausgestattet war als viele College-Bibliotheken.
»Was ist denn mit Wilhelm?« fragte ich.
»Er war gestern nacht hier«, erklärte Ken. »Ich bin nach dem Theater noch mal hergefahren, um Notizen mitzunehmen; die brauchte ich für ein Interview, das ich am Morgen von daheim aus führen wollte. Und da sah ich das Wiesel in der Bibliothek. Es war ungefähr dreiundzwanzig Uhr. Du weißt ja, wie ehrgeizig der kleine Scheißer ist. Ich hab’s ihm förmlich angesehen: Der Knabe hatte Blut gerochen. Und da will man natürlich wissen, um was für eine Spur es sich handelt.«
»Natürlich«, sagte ich. Das Wiesel war ein versierter Stuhlsäger. Ein Jahr zuvor war es ihm gelungen, den Rausschmiß des für die Sonntagsbeilage zuständigen Redakteurs zu erwirken. In allerletzter Minute hatte er den Job dann allerdings doch nicht bekommen.
»Da habe ich Lilly, die Nachtbibliothekarin, unauffällig gefragt: ›Was ist los? Was hat das Wiesel vor?‹«, erklärte Ken. »Und sie hat gesagt: ›Er sieht sich die Polizeireporte über irgendeinen Bullen an.‹ Wenn’s sonst nichts ist, denke ich noch, aber dann kam es mir plötzlich sehr seltsam vor. Ich meine, in der Lokalredaktion bin immer noch ich der Chefreporter. Ich schreibe mehrere Artikel über das Parker Center pro Monat, was kann also er wissen, das ich nicht weiß? Wie ich das sehe, müßte das immer noch meine Story sein. Also habe ich Lilly nach dem Namen des Polizisten gefragt.«
»Laß mich mal raten!« sagte ich.
»Ganz genau. Peter J. Smith.«
»Um wieviel Uhr war das?«
»Gegen elf.«
»Super.«
»Dachte mir, das könnte dich interessieren«, sagte Ken.
»Brennend.«
»Daraufhin sagte ich zu Lilly - also, das war gestern nacht, wie gesagt -, ich sagte: ›Lilly, was zieht er denn da alles raus?‹ Er fischte nämlich wirklich alles raus, die ganzen alten Ausschnitte mit Artikeln über die Gerichtsmedizin, und offenbar hat er eine Quelle im Parker Center, die ihm interne Berichte zukommen läßt. Irgendwas über eine Anhörung wegen sexueller Belästigung eines Kindes. Die Anklage wurde vor ein paar Jahren erhoben.«
»Ach, du liebe Scheiße!« sagte ich.
»Stimmt das?«
»Es gab eine Vernehmung, aber das Ganze war völliger Nonsens.«
Ken sah mich an. »Erzähl mal!«
»Das war vor drei Jahren, ich arbeitete noch als Detective. Mein Kollege und ich wurden in die Ladera Heights gerufen -eine häusliche Auseinandersetzung. Ein Hispano-Paar stritt sich. Beide waren sturzbetrunken. Die Frau wollte, daß ich den Mann festnehme, und als ich mich weigerte, sagte sie, er würde ihr Baby sexuell mißbrauchen. Ich sah mir das Baby an, konnte nichts entdecken und weigerte mich weiterhin, den Mann zu verhaften. Die Frau war stocksauer. Am nächsten Tag ging sie zur Polizei und bezichtigte mich der sexuellen Belästigung. Es gab eine Voruntersuchung. Das Verfahren wurde als unbegründet eingestellt.«
»Okay«, sagte Ken. »Hast du mal irgendeine Reise gemacht, die nicht ganz koscher war?«
Ich runzelte die Stirn. »Eine Reise?«
»Das Wiesel hat gestern nacht versucht, an Unterlagen über Dienstreisen heranzukommen. Flugreisen, Vergnügungsreisen auf öffentliche Kosten, überhöhte Spesenrechnungen …«
Ich schüttelte den Kopf. »Da fällt mir nichts ein.«
»Ja, da hat er wohl danebengetippt. Du bist alleinerziehender Vater, du machst keine Vergnügungstrips auf öffentliche Kosten.«
»Völlig ausgeschlossen.«
»Gut.«
Wir gingen in eine Ecke der Bibliothek, von der aus wir durch die Glaswände hindurch einen guten Blick auf die Lokalredaktion hatten. Das Wiesel laberte noch immer auf die Holländerin ein. Ich sagte: »Ich verstehe einfach nicht, warum er sich ausgerechnet für mich interessiert, Ken. Ich werde von niemandem unter Druck gesetzt, habe mit niemandem Streit. Ich bin schon seit drei Jahren nicht mehr als Detective im Einsatz. Nicht mal Presse-Officer bin ich mehr. Ich bin Kontaktmann, ich habe meist mit Leuten aus der Politik zu tun. Warum hat es ein Times-Reporter auf mich abgesehen?«
»Um dreiundzwanzig Uhr in einer Donnerstagnacht, meinst du?«
Er starrte mich an, als wäre ich ein Idiot, als würde mir Sabber übers Kinn rinnen.
»Glaubst du, daß die Japaner dahinterstecken?« fragte
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