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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Sie hatten sich weder durch die Befehle noch vom Geld der Weißen zähmen lassen; sie wußten alles vom Leben auf der Farm, doch die Farm wußte von ihnen nur, daß es sie gab. Allein Mungo durfte über Tod und Leben der Stolzen bestimmen, die für sich selbst sorgen und nur den Geruch des Vertrauten in die Nase lassen wollten.
    Ab den ersten Herden grasender Schafe, den geschickt zwischen kleinen, bewachsenen Felsen springenden Ziegen, den liegenden Kühen, die in ihrer zufriedenen Sattheit selten auch nur den Kopf bewegten, und den dicht nebeneinander gebauten Hütten mit winzigen weißen Steinen in ihren Lehmwänden ließ Mungo seine Stimme nur im Donner des Regens am frühen Morgen laut werden, doch auch da war seine Macht noch überall spürbar. In diesem Reich der vertrauten Bilder und Töne lagen kleine Schambas, die den Boys von den Hütten gehörten.
    Auf ihnen wuchsen hohe Tabakpflanzen, süß duftende Büsche von heilenden Kräutern, deren Wirkung nur die weisen Alten kannten, und niedrige Maispflanzen mit kräftigen Blättern, die leise in jedem Windhauch redeten. Morgens und in den Nachmittagsstunden arbeiteten dort junge Frauen mit kahlen Köpfen, nackten Brüsten und Säuglingen in bunten Tüchern auf dem Rücken. Legten sie ihre Hacken ins Gras und ihre Kinder an die Brust, pickten die Hühner aus ihren erdverkrusteten Füßen kleine glänzende Käfer heraus. Bei der Arbeit sangen die Frauen nur selten wie die Männer; wenn sie Löcher in langes Schweigen bohrten und dabei das Lachen von Kindern hatten, redeten sie oft kichernd von der Memsahib und ihrem Bwana, die beide so sehr Worte liebten, die im Hals und auf der Zunge kratzten.
    Lilly mit der Stimme, die über Bäume flog und mühelos die Berge erreichte, wurde für Regina die schöne Herrin eines weißen Schlosses und empfing Botschaften aus fremden Welten. Dieses Schloß hatte große Fenster, die die Glut des Tages bis in die Nacht hinein speicherten und aus kleinsten Regentropfen große Kugeln machten. In dem Glas, das unter Manjalas Aufsicht täglich von zwei Kikuyujungen so lange blank gerieben wurde, bis sie in ihr eigenes Gesicht hineinspucken konnten, malte die Sonne mit mehr Farben als irgendwo anders in afrikanischen Paradiesen.
    In dem Wohnraum mit dem breiten Kamin aus einem Stein, der sich blaßrosa einfärbte, sobald das brennende Holz zu knistern begann, entstieg aus Ohas Pfeife ein sanfter König. Er hatte einen runden Bauch und Knochen, die schon schwer waren von einer Last, die Regina nicht deuten konnte, aber er kletterte leicht und listig auf winzigen grauen Tabakshügeln in die Höhe und segnete von dort lächelnd das Haus mit dem lautem Gelächter, der leisen Musik und der Freundlichkeit schöner, fremder, seltsamer Laute.
    Es gab Abende, in denen nur die hohen Flammen das Zimmer erhellten und es in glutroten Dunst tauchten. Da zögerte der Duft, eine fein abgestimmte Mischung von Zedern, in denen noch der Wald wohnte, und dem frisch gebrannten Tembo aus Zuckerrohr, das Oha nach dem Essen in kleinen Kelchen aus farbigem Glas trank, seinen Abschied immer wieder hinaus. In solchen Nächten waren auch die schweigsamen Zaubergeister unterwegs. Sie waren taub für die Stimme von Menschen, doch es war ihnen lustvolles Bedürfnis, deren Augen auf eine Safari zu schicken, die weder Anfang noch Ende hatte.
    Dann schlüpften gut genährte Männer mit breiten orangefarbigen Schärpen, hohen schwarzen Hüten und weißen Kragen, die aus kleinen, steifen Falten zusammengesetzt waren, aus den dunklen Holzrahmen der Bilder. Ihnen folgten sehr ernst aussehende Frauen mit Häubchen aus weißer Spitze, Perlen um den Hals, die so weiß wie das junge Mondlicht waren, und Kleider aus schwerem, blauem Samt. Die Kinder trugen helle Seide, die den Körper wie die eigene Haut umschloß, und enganliegende Mützen mit winzigen Perlen an den Nähten. Sie lachten mit dem Mund, doch nie mit den Augen.
    Diese Menschen aus den Stätten der geheimnisvollen Farben ließen sich für einen kurzen Moment in der Tiefe der weichen, dunkelgrünen Sessel nieder. Ehe sie mit einem Lachen, das nicht lauter war als das erste Krähen eines Kindes, wieder zurück auf ihren Platz an den steinernen Wänden fanden, flüsterten sie heiser in einer Sprache, die die gleichen kehligen Laute hatte wie die der Buren.
    Wenn Regina abends die feine Gesellschaft bei ihrer Flucht aus den engen Bilderrahmen beobachtete, kam sie sich wie das Meermädchen im Märchen vor, das im Sturm

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