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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Sprache.
    »Mein Vater sagt auch solche Sachen«, flüsterte sie.
    »Bald nicht mehr, sein Herz ist bereit zum Abschied und zum Neubeginn«, sagte der Professor und blinzelte ein wenig, ohne daß seine Augen Freude fanden. Einen kurzen Augenblick wurde sein Gesicht wieder so groß wie sein Hut. »Dein Vater ist ein kluger Mann. Er hat wieder Hoffnung. Und was die innere Stimme spricht, das täuscht die hoffende Seele nicht.«
    Regina grübelte irritiert, weshalb ihre Haut kalt geworden war, obwohl sie der Schatten von der Mauer nicht erreichen konnte. Dann wußte sie Bescheid. Das Heulen von Hyänen, die zu alt waren, Beute zu machen, klang in dunklen Nächten wie das Lachen vom Professor in der größten Helligkeit des Tages. Sie überlegte gleichzeitig, wie alt er sein mochte und weshalb alte Menschen so oft Dinge sagten, die noch schwieriger zu entschlüsseln waren als die geheimnisvollen Rätsel in antiken Sagen.
    »Freust du dich auf Deutschland?« fragte der Professor.
    »Ja«, sagte Regina und kreuzte rasch ihre Finger, wie sie es als Kind von Owuor gelernt hatte, um den Körper vor dem Gift einer Lüge zu schützen, die der Mund nicht mehr hatte halten können. Sie war nun ganz sicher, daß der Professor nicht mit ihr sprach, aber es verwirrte sie nicht. Hatte sie nicht bei ihrem Vater immer wieder erlebt, daß ein Mann jemanden brauchte, der ihm zuhörte, auch wenn dieser Freund die falschen Ohren hatte?
    »Wie gern möchte ich mit dir tauschen. Stell dir vor, du bist daheim, gehst auf die Straße, und alle Menschen sprechen  Deutsch. Selbst die Kinder. Du brauchst sie nur etwas zu fragen, und sie verstehen dich sofort und geben dir Antwort.«
    Regina machte den Mund langsam auf und noch langsamer wieder zu. Sie brauchte Zeit, um herauszubekommen, ob der Professor überhaupt noch wußte, daß sie auf dem Boden neben seinem Stuhl saß. Er lächelte ein wenig, als hätte er sein Leben lang mit gähnenden Affen geredet, die nicht erst Laute herausbrüllen müssen, um auf sich aufmerksam zu machen.
    »Frankfurt«, sagte er und kratzte mit sanfter Stimme an dem guten Schweigen, »war so schön. Erinnerst du dich? Wie kann nur ein Mensch net von Frankfurt sei! Das hast du schon als ganz kleines Mädchen aufsagen können. Sie haben alle gelacht. Mein Gott, was waren wir damals glücklich. Und töricht. Grüß die Heimat von mir, wenn du sie siehst. Sag ihr, ich konnte sie nicht vergessen. Ich hab's ja immer wieder versucht.«
    »Das werde ich tun«, sagte Regina. Sie schluckte ihre Verwirrung zu hastig hinunter und begann zu husten.
    »Und danke, daß du es noch rechtzeitig geschafft hast. Sag Mutter, sie soll nicht schimpfen, wenn du zu spät zum Gesangsunterricht kommst.«
    Regina schloß die Augen, während sie darauf wartete, daß das Salz unter den Lidern zu kleinen trockenen Körnern wurde. Es dauerte länger, als sie dachte, bis sie wieder klar sehen konnte, und dann merkte sie, daß der Professor eingeschlafen war. Er atmete so laut, daß das leise Pfeifen des Windes verstummte; der Rand seines schwarzen Hutes berührte seine Nase.
    Obwohl Regina ohne Schuhe lief und ihre Schritte auf der verkrusteten Erde kaum mehr Geräusch machten als ein Schmetterling, der auf einem verdurstenden Rosenblatt zur Ruhe kommt, achtete sie darauf, daß nur ihre Zehen den Boden berührten. Nach der Hälfte des Wegs drehte sie sich noch einmal um, denn es erschien ihr mit einem Mal richtig und wich-tig, daß der Professor nicht aufwachte, ehe er wieder die Kraft fand, die Formen und Farben in seinem Kopf zu ordnen.
    Es machte sie zufrieden und auch auf eine Art, die sie sich noch nicht erklären konnte, fröhlich, ihn ruhig schlafen zu sehen. Weil sie wußte, daß er sie nicht hören würde, gab sie dem plötzlichen, übermütigen Drängen nach, statt auf Wiedersehen »Kwaheri« zu rufen.
    Es wurde Abend, ehe sich die Bewohner vom Hove Court zu wundern begannen, daß Professor Gottschalk, der eine Abneigung gegen die unvermittelt aufkommende Kühle der afrikanischen Nächte hatte, noch immer ruhig auf seinem Stuhl saß. Dann aber sprach es sich so schnell herum, als hätten es Trommeln aus den Wäldern mit verzauberten Echos gemeldet, daß er tot war.
    Das Begräbnis fand bereits am nächsten Tag statt. Weil es ein Freitag war und der Tote vor Beginn des Sabbats beigesetzt werden mußte, weigerte sich der Rabbiner trotz aller Hinweise auf die außergewöhnliche Wut der Regenzeit in Gilgil, die Beerdigung länger als bis zum

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