Nirgendwo in Afrika
meine Söhne beim Militär?«
»Ich zerbreche mir selten meinen alten Kopf, weshalb einer beim Militär ist. Auch ich frage mich nicht, warum ich diese lausige Uniform anhabe.«
»Sollten Sie aber, Colonel. Wir tun es. Für Juden ist der Kampf gegen Hitler kein gewöhnlicher Krieg. Die wenigsten von uns haben die Wahl gehabt, ob sie kämpfen wollen oder nicht. Die meisten werden hingeschlachtet, ohne daß sie sich wehren können.«
Colonel Whidett gestattete sich einen kleinen mißbilligenden Seufzer. Er erinnerte sich, obwohl er es sich nicht anmerken ließ, daß der bullige Mann, der vor seinem Schreibtisch saß, auch bei der ersten Begegnung zu unappetitlichen Ausdrücken geneigt hatte. Erfahrung und Logik sagten ihm aber dann doch, daß die Juden im allgemeinen wohl ihre Probleme besser selbst lösen konnten als die wohl doch nicht ganz unbefangenen Außenstehenden.
»Wie«, fragte er, »soll ich denn in diesem verfluchten Land Ihre Leute überhaupt erreichen und sie wissen lassen, daß die Army sich plötzlich für sie interessiert?«
»Lassen Sie das mal unsere Sorge sein«, sagten Archie und Benjamin. Sie lachten sehr laut, als sie merkten, daß sie gleichzeitig gesprochen hatten, und schlugen dann auch gemeinsam vor, als könnte einer von ihnen allein nicht sprechen: »Wenn es Ihnen recht ist, fahren wir zu den Farmen hin und informieren die Männer, die in Frage kommen.«
Colonel Whidett nickte mit einer Prise Wohlwollen. Er unternahm auch keine allzu große Anstrengung, seine Erleichterung zu verbergen. Zwar schätzte er unkonventionelle Lösungen nur in Maßen, aber er war nie ein Mann gewesen, der sich Spontaneität widersetzte, wenn sie ihm nützlich erschien. Binnen eines Monats erhielt er von London die offizielle Erlaubnis, Archie und Benjamin von ihren regulären Dienstverpflichtungen freizustellen und mit den nötigen Sonderaufträgen zu betrauen. Dem Vater schrieb er einen freundlichen Brief und bat um seine weitere Unterstützung. Der ersparte eine nochmalige Begegnung, die nach Whidetts Ansicht für beide Seiten doch zu persönlich gewesen wäre.
Der alte Rubens hielt am darauffolgenden Freitag abend nach dem Gottesdienst eine kleine Ansprache, in der er von der Pflicht der jungen jüdischen Männer sprach, ihren Dank an das Gastland abzustatten, und im übrigen sorgte er ohne Zeitverlust für die notwendige Organisation. David übernahm es, Kontakt mit den Refugees herzustellen, die zwischen Eldoret und Ki-sumu lebten, Benjamin sollte die Küste abfahren und Archie das Hochland bearbeiten.
»Ich fang bei dem Mann in Sabbatia an. Ohne Dolmetscher mache ich mich nicht auf die Reise«, entschied er.
»Willst du sagen, unsere Glaubensgenossen können immer noch kein Englisch?« fragte sein Bruder.
»Man erlebt da wirklich abenteuerliche Geschichten. Wir haben seit zwei Jahren so einen komischen Polen im Regiment, der kaum ein Wort herausbringt«, erzählte Archie.
»Meinen klugen Söhnen wäre so etwas natürlich nicht passiert, wenn sie in die Emigration gemußt hätten. Die hätten alle auf den Farmen von den Kikuyus bestes Oxfordenglisch gelernt«, sagte sein Vater.
Weil die kleine Regenzeit in Ol' Joro Orok noch nicht einge-setzt hatte, war die Gibson-Farm eine der ersten auf Archies Tour. So wurde Walter im März 1944, genau wie Colonel Whidett, an den Kriegsausbruch erinnert. Wieder war es Süßkind, der ihm die entscheidende Wende in seinem Leben verkündete.
Am späten Nachmittag traf er mit Archie - in der Uniform eines Sergeantmajors - auf der Farm ein, und rief, kaum daß er aus dem Jeep ausgestiegen war: »Es ist soweit. Wenn du willst, kannst du ab sofort deine Tage hier zählen. Die wollen uns endlich haben.« Dann rannte er Jettel entgegen, wirbelte sie herum und lachte: »Und du wirst die schönste Kriegsbraut von Nairobi. Da verwette ich meinen Kopf.«
»Was soll das nun wieder heißen?« fragte Jettel. »Dreimal darfst du raten«, sagte Walter.
Die Farm war gerade dabei, sich vom Tag zu verabschieden. Kimani schlug wegen des kräftigen Windes lauter als sonst mit seiner Eisenstange gegen den Wassertank. Das Echo hatte einen tiefen Ton, als es vom Berg abprallte. Die Geier flogen kreischend aus den Bäumen und kehrten sofort zurück in die bebenden Äste.
Rummler kletterte schwerfällig schnaufend in Archies Jeep und machte sich hechelnd daran, sein feuchtes Fell an den Sitzen zu wärmen. Kamau, in einem Hemd, das wie ein Stück vom jungen Gras aussah, trug das
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