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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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ein Mann war. Regina erweckte ihn ihm den Wunsch nach Zukunft statt Vergangenheit.
    »Komm«, sagte er, »wir fahren weiter. Du willst doch bald zu Hause sein.«
    »Ich bin ja schon zu Hause.«
    »Du liebst die Farm, nicht wahr?«
    »Ja, aber das ist mein secret. Meine Eltern dürfen das nicht wissen. Die lieben Deutschland.«
    »Versprichst du mir etwas? Wenn du mal fort von der Farm mußt, daß du nicht traurig bist.«
    »Warum soll ich fort müssen?«
    »Vielleicht wird dein Vater auch mal Soldat.«
    »Das wird schön«, malte sich Regina aus, »wenn er auch so eine Uniform hat wie du. Und Mr. Brindley sagt: Soldaten darf man nicht warten lassen. Dann beneiden mich die anderen. So wie heute.«
    »Du hast dein Versprechen vergessen«, lächelte Martin, »daß du nie traurig sein wirst.«
    Wieder erkannte Regina, daß Martin mehr als nur ein Mensch war. Er wußte, wie gut es war, wichtige Worte mehr als einmal zu sagen. Sie ließ sich Zeit, ehe sie fragte: »Warum willst du denn, daß ich nicht traurig bin?«
    »Weil ich nach dem Krieg zu dir zurückkomme. Dann bist du eine Frau. Aber vorher muß ich an die Front. Und da ist die Welt nicht so schön wie hier. Da möchte ich mir wenigstens vorstellen, daß du so glücklich bist wie jetzt. Wäre das sehr schwer?«
    »Nein«, sagte Regina, »ich stelle mir dann einfach vor, daß du doch ein König bist. Meiner. Das macht dir doch nichts aus?«
    »Überhaupt nicht«, lachte Martin, »an diesem gottverlassenen Flecken lernt man zu träumen.« Er beugte sich herunter, zog Regina an den Schultern hoch, und als er ihre Haut berührte, geriet ihm die Zeit wieder durcheinander. Er kam sich erst jung und unbekümmert vor, dann, als er hörte, wie schwer er atmete, alt und töricht. Er holte aus, um die Wehmut zu zertreten, doch Reginas Stimme kam seiner Beherrschung zuvor.
    »Was machst du da?« kicherte sie. »Das kitzelt.«
12
    Anfang Dezember 1943 erhielt Colonel Whidett einen Befehl, der ihm gründlich die Vorfreude auf seinen sorgsam geplanten Weihnachtsurlaub im exklusiven Haus des Mount Kenya Safari Club verdarb und der sich zudem als die bis dahin heikelste Herausforderung seiner gesamten militärischen Laufbahn erwies. Das Kriegsministerium in London übertrug ihm die Verantwortung für das Unternehmen »J«, das in seiner Folge die Umstrukturierung der in Kenia stationierten Streitkräfte bedeuten sollte.
    Die Kolonie sollte, und dies umgehend, dem Beispiel des Mutterlands und der anderen Länder des Commonwealth folgen und auch solche Freiwillige in die Armee Seiner Majestät aufnehmen, die nicht im Besitz der britischen Staatsangehörigkeit waren, »sofern sie der alliierten Sache freundlich gesonnen waren und keine Gefahr für die innere Sicherheit« darstellten. Die Formulierung »bei dem Kreis der in Frage kommenden  Refugees muß zuvor eine antideutsche Haltung einwandfrei attestiert werden« erhärtete bei Colonel Whidett die in zwei Weltkriegen gemachte Erfahrung, daß gesunder britischer Menschenverstand nicht Grundvoraussetzung für eine Anstellung im englischen Kriegsministerium war.
    Zudem wurde in einem exorbitant weitschweifigen Nachsatz darauf hingewiesen, daß auch der Kreis der Emigranten aus Deutschland unbedingt berücksichtigt werden sollte. Der Colonel empfand gerade diesen Teil der Order als ebenso verwirrend und überflüssig wie schizophren. Zu genau waren ihm noch die bei Kriegsausbruch geltenden Richtlinien gegenwärtig. Nur die Flüchtlinge aus dem unfreiwillig von Deutschland annektierten Österreich, aus der brutal überfallenen Tschechoslowakei und aus dem bejammernswerten Polen hatten doch damals als friendly gegolten, die aus Deutschland unterschiedslos als Enemy Aliens. Seitdem war, zumindest nach übereinstimmender Meinung der leitenden Militärs in Kenia, absolut nichts geschehen, das ein Rütteln an bewährten Prinzipien gebot.
    Colonel Whidett schickte zunächst seine Familie in die Ferien nach Malindi, sagte enttäuscht seinen eigenen Urlaub ab und machte sich mit einiger Verbitterung, aber doch mit jener Disziplin, die er trotz aller naheliegenden Versuchungen nie dem lässigen Kolonialstil geopfert hatte, zu dem offenbar von ihm geforderten Prozeß des Umdenkens bereit. Mit einer Klarsichtigkeit, die ihm sonst bei Dingen außerhalb seines Begriffsbereichs nicht gegeben war, erkannte er ebenso rasch wie schon zu Beginn des Krieges, daß der ihm nach wie vor suspekte Kreis der Refugees für Probleme sorgte, denen nicht mit

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