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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Jettel wohnte, riß in einem einzigen Angriff die Mauern von Reginas einsamer Festung nieder.
    Als Regina an einem Tag, der so heiß und trocken wie ein überfüttertes Buschfeuer war, nach dem Mittagessen zurück auf ihren Baum kam, hockte Diana auf einem Ast. Die grazile Frau mit den blauen Augen, langen blonden Haaren und einer Haut, die im dichten Blattwerk wie Mondlicht schimmerte, trug ein durchsichtiges weißes Spitzenkleid, das bis zu ihren nackten Füßen reichte. Ihre Lippen waren zart rosa geschminkt, und auf dem Kopf leuchtete eine goldene Krone mit kleinen bunten Steinen auf jeder Zacke.
    Einen herzklopfenden Moment lang staunte Regina, daß es ihr gelungen war, eine Fee zum Leben zu erwecken, an die sie schon lange nicht mehr glaubte. Sie wagte keinen Atemzug, doch als Diana sagte: »Wenn du nicht zu mir kommst, komme ich zu dir«, schüttelte ein so gewaltiges Lachen ihren Körper, daß Scham ihre Haut verbrühte. Das Englisch, das die Refugees sprachen und das in Reginas Ohren wie ein Wind tobte, der gegen einen Wald voll Riesen kämpft, war ein sanftes Säuseln im Vergleich zu Dianas harter Aussprache.
    »Ich habe dich noch nie lachen gesehen«, stellte Diana zufrieden fest.
    »Ich habe in Nairobi noch nicht gelacht.«
    »Traurigkeit macht häßlich. Jetzt lachst du schon wieder.«
    »Bist du eine Prinzessin?«
    »Ja. Aber die Leute hier glauben das nicht.«
    »Ich schon«, sagte Regina.
    »Die Bolschewiks haben mir meine Heimat gestohlen.«
    »Meinem Vater haben sie auch die Heimat gestohlen.«
    »Aber nicht die Bolschewiks!«
    »Nein, die Nazis.«
    Diana Wilkins stammte aus Lettland, war als junges Mädchen über Deutschland, Griechenland und Marokko geflüchtet und Anfang der dreißiger Jahre nur deshalb in Kenia hängengeblieben, weil ihr jemand erzählt hatte, in Nairobi sollte ein Theater eröffnet werden. Sie war Tänzerin gewesen und überzeugt, daß ihre guten Tage noch kämen. Ihren englischen Nachnamen und eine Witwenpension, die ihr beide noch mehr von den Bewohnern des Hove Court geneidet wurden als ihre Schönheit, verdankte sie einer sehr kurzen Ehe mit einem jungen Offizier. Ein eifersüchtiger Rivale hatte ihn erschossen.
    Als sie Regina das erstemal ihre Wohnung zeigte, wies sie stolz auf die eingetrockneten Blutstropfen an der Wand hin. Die stammten zwar von erschlagenen Moskitos, aber Diana durstete noch mehr nach Romantik als nach Whisky und fand die Vorstellung zu traurig, der verstorbene Lieutenant Wilkins hätte außer seinem Namen keine Spuren in ihrem Leben hinterlassen.
    »Warst du denn dabei, als er erschossen wurde?« fragte Regina.
    »Aber ja. Er hat noch zu mir gesagt >deine Tränen sind wie Taue, ehe er starb.«
    »So was Schönes habe ich noch nie gehört.« »Wart nur ab. Eines Tages wirst du so etwas auch erleben. Hast du denn schon einen Freund?«
    »Ja. Er heißt Martin und ist Soldat.«
    »Hier in Nairobi?«
    »Nein, in Südafrika.«
    »Und es ist dein größter Wunsch, ihn zu heiraten?«
    »Ich weiß nicht«, zweifelte Regina. »Das habe ich mir noch nicht überlegt. Noch mehr wünsche ich mir einen Bruder.«
    Sie erschrak, als sie sich reden hörte. Seit dem Abschied von Martin auf der Farm hatte Regina seinen Namen nur in ihrem Tagebuch erwähnt. Daß sie nun auf einem Schlag nicht nur von ihm, sondern auch von dem toten Baby erzählte, verwirrte sie. Der wilde Tanz in ihrem Kopf erschien ihr wie ein besonderer Zauber, der Trauer verdursten ließ wie Flüsse in der Trockenzeit.
    Seitdem Regina mit Diana ihre beiden Geheimnisse geteilt hatte, rasten die Tage so schnell über sie hinweg wie Ochsen, die sich im Fieberwahn im Kreise drehen. Ihre Ohren wurden taub gegen die weinerlichen Bitten der Mutter und erst recht gegen die Befehle von Elsa Conrad, sich nach einer gleichaltrigen Freundin umzusehen.
    »Magst du Diana nicht?«
    »Doch«, sagte Jettel zögernd, »aber du weißt, daß Papa komisch ist.«
    »Warum?«
    »Er ist ein Mann.«
    »Alle Männer lieben Diana.«
    »Das ist es ja. Er hat was gegen Frauen, die mit jedem Mann schlafen.«
    »Diana«, erklärte Regina am Tag darauf, »hat gesagt, sie schläft nicht mit allen Männern. Sie geht nur mit ihnen aufs Sofa.«
    »Mach das mal deinem Vater klar.«
    Die einzigen männlichen Wesen, die Diana wirklich liebte, waren ihr winziger Hund Reppi, den sie bei ihren Spaziergängen im Garten auf dem Arm trug und der, wie nur Regina wußte, in Wirklichkeit ein verzauberter Fürst aus Riga war, und ihr Hausboy. Chepoi

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